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Gastbeitrag: Warum es doch einen Landesfuhrpark bräuchte

24.03.14 (Berlin) Autor:Stefan Hennigfeld

In ein paar Monaten wird es soweit sein: die Entscheidung darüber, wer ab Dezember 2017 seine Züge auf dem Berliner S-Bahn-Ring rollen lassen darf, soll bis zum Jahresende 2014 fallen. Wie schon in der Vergangenheit lässt sich das Land Berlin viel Zeit bei der Entscheidung, obwohl diese mehr als drängt. Denn es ist Auflage der Ausschreibung, dass der Bewerber, der den Zuschlag erhält, neue Züge für den S-Bahn-Betrieb beschaffen muss. Es ist schon jetzt absehbar, dass die Zeit bis zum Betriebsbeginn nicht ausreichen wird um neue Züge zu entwickeln und zu bauen. Bis die neuen Züge fertig sind, werden die alten weiterfahren und dafür teuer Instand gehalten werden müssen. Das Ganze wird schätzungsweise 150 Mio. € kosten. Von Stefan Gelbhaar.

Der Zahlmeister dafür sind die Bürgerinnen und Bürger Berlins. Gerade im Rückblick auf die vergangenen Jahre kann man das Agieren des Senats beim Thema S-Bahn nur als kopflos bezeichnen. Die 2009 mit einer entgleisten S-Bahn begonnene Krise, während der zeitweise nur ein Viertel der Wagenflotte einsatzfähig war, dauert insgesamt eineinhalb Jahre an, bevor das Land Berlin sich durchringen konnte, Zuschüsse an die S-Bahn einzubehalten, weil vertraglich festgelegte Leistungen nicht erbracht worden sind. Zu diesem Zeitpunkt hätte es dem Senat schon klar sein müssen, dass der S-Bahn-Verkehr als einer Grundfeste des Öffentlichen Personennahverkehrs in Berlin langfristig nur abgesichert werden kann, wenn zeitnah neue Züge durch das Land Berlin bestellt werden. Diesem Vorschlag eines landeseigenen Fuhrparks, wie in Bündnis 90 / Die Grünen eingebracht haben, lehnten Senat und die Koalitionsfraktionen im Abgeordnetenhaus jedoch ab. Stattdessen entschied man sich 2012, einen Teil des Berliner S-Bahn-Netzes auszuschreiben und die Beschaffung neuer Züge als Auflage in die Ausschreibung aufzunehmen.

Wenn es dann schnell gegangen wäre, hätte man mit viel Glück bis Ende 2017 neue Wagen haben können. Aber eine schludrig verfasste Ausschreibung machte auch diesem Senatsplan einen Strich durch die Rechnung. Die Deutsche Bahn, derzeitiger Betreiber der Berliner S-Bahn, klagte gegen einzelne Vorgaben der Ausschreibung, die sie für unvereinbar mit dem europarechtlich geregelten Vergaberecht hielt. Zum Showdown vor dem Europäischen Gerichtshof und einem langwierigen Verfahren kam es zwar dann nicht, weil der Senat richtigerweise entschied den Rechtsstreit mit der S-Bahn-Berlin GmbH nicht weiter zu treiben. Der Ausgang wäre nämlich ungewiss gewesen. Jedoch musste der Senat die Ausschreibung faktisch neu starten, was zu weiteren Zeitverzögerungen führte. Statt im zweiten Quartal 2014 wird der Zuschlag an den neuen oder alten Betreiber nun erst Ende 2014 vergeben – die neuen Züge werden also erst 2015 bestellt werden können. Es wird also eine Übergangszeit geben, in der die alten Züge weiterfahren werden.

Dabei wird es noch das kleinere Problem sein, dass ein neuer Betreiber erst einmal an die alten Züge, die sich im Besitz der Deutschen Bahn AG befinden, herankommen muss. Auf Grund der technischen Besonderheiten des Berliner S-Bahn-Netzes ist die Deutsche Bahn das einzige Unternehmen, das über passende Züge verfügt. Dieses Problem wird sich über das Land Berlin auf die eine oder andere Weise lösen lassen. Das größere Problem wird die weitere Betriebszulassung für die alten Züge sein. Damit ist das zuständige Eisenbahnbundesamt die große Unbekannte in dem Verfahren. Die Berlinerinnen und Berliner werden also weiter um die S-Bahn zittern müssen, und das betrifft nicht nur den Ring. Was nämlich in den Debatten um das laufende Vergabeverfahren für den S-Bahn-Ring unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass der S-Bahn-Vertrag mit der Deutschen Bahn Ende 2017 ausläuft – für alle Teilnetze. Der Senat hat sich dazu noch nicht geäußert. Nach der Ankündigung der Deutschen Bahn, im Falle des Zuschlags für den S-Bahn-Ring insgesamt 1380 neue Züge zu kaufen, lehnt sich der Senat offenbar entspannt zurück; ganz nach dem Motto: „Wird schon werden.“

Zum Autor: Der 1976 geborene Stefan Gelbhaar ist als Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Berlin tätig und seit 2011 Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus sowie dort verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen.

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