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Berlin: Kritik an S-Bahnvergabe

19.05.16 (Berlin) Autor:Stefan Hennigfeld

In Berlin stehen weitere Teilvergaben der dortigen S-Bahn an. Der politisch gewünschte Betreiber ist vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen sehr wahrscheinlich die zur Deutschen Bahn AG gehörende S-Bahn Berlin GmbH. Diese hat bereits bei der Vergabe eines ersten Teilloses den Zuschlag erhalten.

Allerdings: Das Vergabeverfahren für das erste Teilnetz „Ring“ (Verkehrsleistungen auf den Linien 41 und 42 sowie einigen Zulaufstrecken) hatte sich bereits länger hingezogen als geplant und musste wegen rechtlicher Bedenken einmal komplett neu aufgerollt werden.

Im Herbst 2015 war schließlich der Zuschlag an die S-Bahn Berlin GmbH, Deutsche-Bahn-Tochter und bisheriger Betreiber, vergeben worden – zu einem Preis, der deutlich über dem lag, was die bestellenden Länder veranschlagt hatten. Zuvor hatten sich alle anderen interessierten Bieter wie etwa National Express, MTR aus Hongkong oder JR East aus Japan zurückgezogen.

Der Wettbewerberverband Mofair hält das als Folge eines „überkomplexen“ Verfahrens. „Nach den Schwierigkeiten mit der bisherigen Vergabe der Berliner S-Bahn sollten neue Verfahren für die Zeit ab 2023 wettbewerbsgerecht ausgestaltet werden. Sonst drohen erneut Schwierigkeiten, weil die Anforderungen mit Gebrauchtfahrzeugen nur von einem Unternehmen realisiert werden können. Wettbewerb auf der Schiene sieht anders aus“, erklärte Christian Schreyer, Vorstand von Mofair und Chef bei Transdev.

Nach Auffassung von Schreyer sei bereits die Vergabe des Teilnetzes Ring so angelegt gewesen, dass potenzielle Wettbewerber durch die Art der Ausschreibung abgeschreckt werden. Dieses wettbewerbsfeindliche Vorgehen sei zwanzig Jahre nach der Bahnreform vor allem für die Kunden nicht hinnehmbar. „In vielen Bundesländern hat der Wettbewerb dazu geführt, dass die Fahrgäste in modernen, komfortablen, sauberen Zügen fahren und sich die finanziellen Konditionen für die Aufgabenträger stark verbessern“, so Schreyer.

Der Mofair-Vorstand verwies auf die Stuttgarter Netze, wo sich durch mehrere Bieter der Preis pro Zugkilometer halbiert habe. Es sei für andere Unternehmen als die S-Bahn Berlin unmöglich, Fahrzeuge für kurzfristige, gestaffelte Verkehrsleistungen auf verschiedenen Linien zu beschaffen. Wieder könne nur die S-Bahn Berlin GmbH den Zuschlag bekommen.

„Hier ist die Politik gefordert, die tief eingefahrenen Pfade zu verlassen und bewährte Wege zu beschreiten, wie sie in anderen Bundesländern längst an der Tagesordnung sind“, sagte Christian Schreyer.

Zwei Dinge hat man in Berlin konkret kritisiert: Zum einen werden Gebrauchtfahrzeuge zugelassen. Diese hat aber aufgrund der technischen Besonderheiten des Berliner S-Bahn-Systems nur der bisherige Betreiber S-Bahn Berlin GmbH. Die Beschaffung von Neufahrzeugen ist zum einen zeitlich kritisch, vor allem aber finanziell gegenüber Gebrauchtfahrzeugen nicht konkurrenzfähig.

Zum anderen werden keinerlei Finanzierungshilfen (z.B. eine Restwertgarantie – nach Ablauf des Vertrags kann der Betreiber, falls er nicht wieder zum Zuge kommt, die beschafften Fahrzeuge zum Zeitwert verkaufen) angeboten. So kann keine annähernde „Chancengleichheit“ zwischen verschiedenen Bietern erreicht werden. Andere Bundesländer, wie etwa Baden-Württemberg, haben damit in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht.

Ähnlich äußert sich Stefan Gelbhaar von den Grünen. Er übt schwere Kritik an der Vergabe: „Genau so sieht eine pure Scheinausschreibung aus.“ So gesehen handelt es sich also um eine faktische Direktvergabe. Das Recht wird eingehalten, andere Bieter aber vergrault. So ist die Deutsche Bahn als einziger Bieter jetzt schon absehbar.

Stefan Gelbhaar: „Denn die Anschaffung neuer Züge ist nicht vorgesehen. Die Bahn hat ihrerseits mitgeteilt, dass sie ihre Züge behalten und nicht abgeben wird. Ein alternativer Betreiber müsste die Züge also auf eigene Kosten mitbringen. Preislich ist damit eine Konkurrenz gegen die S-Bahn unmöglich und ausgeschlossen. Die S-Bahn Berlin GmbH kann und wird die Bedingungen diktieren. Die prognostizierten Kosten liegen um rund fünfzig Prozent höher als bisher – der Kilometerpreis steigt von unter 10 auf rund 15 Euro. Der Senat aus SPD und CDU hat mit seinem perfiden Ausschreibungskonstrukt Gelder in Milliardenhöhe verschleudert. Währenddessen führte die S-Bahn im letzten Jahr trotz unzähliger unpünktlicher und ausfallender Züge hohe Millionengewinne an den Mutterkonzern ab.“

Siehe auch: Wer nicht willkommen ist, bleibt fort

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