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Wer nicht Willkommen ist, bleibt fort

19.05.16 (Berlin, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Vertreter einer protektionistischen Vergabepolitik im Eisenbahnwesen werden anhand der S-Bahn Berlin sicher wieder festzustellen glauben, dass es Grenzen der Marktöffnung gebe. Etwa wenn Fahrzeuge besonderer Bauart gefordert werden, wie es in Berlin der Fall sei. Tatsächlich ist es sogar einfacher in einem geschlossenen Netz zu fahren: Es gibt keine betriebliche Wechselwirkungen mit dem übrigen Personen- und Güterverkehr, so dass man sich nicht gegenseitig im Weg rumsteht. Von einer primitiven Zugsicherung ganz zu schweigen.

Und ja, die Fahrzeuge, die man braucht, die kann jeder Hersteller liefern. Im Trambereich ist das heute schon üblich, dass auf Basis bestimmter Grundmodelle die Ausführungen in etlichen Arten möglich ist: Regel- und Meterspur, Ein- und Zweirichtungsbetrieb und vieles mehr. Die U-Bahntriebzüge der Netze in München und Nürnberg, die in den 70er Jahren geliefert wurden und die aus der gleichen Zeit stammenden Fahrzeuge der Wuppertaler Schwebebahn sind – natürlich nicht vollständig, aber über weite Strecken – baugleich.

Man kann eben doch eine ganze Reihe übernehmen und muss das Rad nicht immer wieder neu erfinden. Nein, hier geht es um was anderes: Der politisch gewollte Betreiber der Berliner S-Bahn ist die nach wie vor als „Bundesbahn“ empfundene S-Bahn Berlin GmbH. Dass die Begriffe „Ausschreibung“ und „Privatisierung“ im Berliner Blätterwald jahrelang synonym zueinander genutzt wurden, geschenkt. Dennoch entstand der Eindruck – und der ist bis heute da – dass die Ausschreibung eine Strafe für die S-Bahnkrise der letzten Jahre sei.

Aber das ist nicht der Fall. Die S-Bahn Berlin unterliegt dem Vergaberecht. Und hier nutzen die politisch Verantwortlichen in Berlin alle Möglichkeiten, um andere Betreiber zu vergraulen. Aber gut, wenn diese merken, dass sie nicht Willkommen sind, bleiben sie eben weg. Also liefert man sich der Deutschen Bahn aus.

Übrigens: Ja, ich habe großes Verständnis für die Situation der Belegschaft. Ich bitte jedoch auch um Verständnis, dass das Interesse von drei Millionen Berlinern an einer funktionierenden S-Bahn wichtiger ist als die Interessen von dreitausend Mitarbeitern eines langjährigen Schlechtleisters. Offensichtlich sieht man die S-Bahn in der früheren DDR-Hauptstadt auch heute noch primär als arbeitsmarktpolitisches Instrumentarium an.

Dazu kommt der Irrglaube einiger Aufgabenträger, dass sie die netten Onkel mit der Geldschatulle seien und sich alle potentiellen Betreiber bei ihnen anzustellen haben. Aber die Abhängigkeit ist umgekehrt mindestens genauso groß: Der Aufgabenträger – und zwar überall – sucht Leute, die ihm Züge kaufen und diese fahren.

Dabei zeigen alle praktischen Erfahrungen der letzten Jahre, dass nicht „überzogene Pönaleregime“, wie ein funktionierendes Controlling oft spöttisch genannt wird, das Problem sind, sondern Bevorteilungen einzelner Wunschbetreiber auf unterschiedliche Arten. Dabei ist der Eisenbahnmarkt groß genug. Niemand ist auf die S-Bahn Berlin angewiesen. Und die Deutsche Bahn wird die Situation zu ihren Gunsten nutzen und auch in den nächsten Jahren viel Geld hier verdienen können.

Siehe auch: Berlin: Kritik an S-Bahnvergabe

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