Der Vertrieb als Stiefkind der Verkehrsunternehmen
23.01.14 (Kommentar) Autor:Max Yang
Bei jeder Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel bedarf es eines Fahrausweises. Doch was trivial erscheint, wird manchmal zu einer absurden Herausforderung. Dass die Berliner Verkehrsbetriebe mehr als ein halbes Jahr nach der Einführung des neuen Fünf-Euro-Scheins immer noch viele Automaten nicht umgerüstet haben, ist schwer verständlich. Natürlich fährt nur selten jemand unfreiwillig schwarz, aber man versetze sich einmal kurz in die Lage eines Grundschülers, der eine Fahrkarte für die Heimfahrt braucht, nur noch einen Fünf-Euro-Schein im Geldbeutel hat und natürlich keine Karte zur Hand. So etwas kann schon zu einem kleinen Drama werden, das beim Nachwuchs sicher nicht für Vertrauen in die Branche sorgt.
Doch auch Erwachsene sind nicht immer auf der sicheren Seite. Manchmal hat, so wie in Düsseldorf 2008, eine Tram-Haltestelle keinen Automaten und der Automat im Fahrzeug nimmt nur Münzen und keine Scheine. Am Kunden vorbei gedacht wird auch im SPNV-Vertrieb gern. Oft liest man im Internet Beschwerden ausländischer Touristen darüber, dass man etwa keine Nahverkehrsfahrkarte von Köln nach Düsseldorf auf bahn.de kaufen kann und nicht einmal der Preis zu erfahren ist. Wer mit dem Bielefelder OWL-Semesterticket nach Hannover fahren will, bekommt am DB-Automaten kein GVH-Anschlussticket ab Haste, wo sein Ticket endet. In Haste aussteigen ist unpraktikabel. Man muss den Niedersachsentarif ab Lindhorst lösen. Doch wer weiß das schon?
Es ist ein deutsches Unikum, dass Verbundfahrkarten außerhalb des Verbundgebietes kaum zu erwerben sind. Die DB arbeitet offenbar nach dem Prinzip „Dienst nach Vorschrift“ – sie betreibt einen Onlineshop für den Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), doch zeigt bahn.de für S-Bahnen im VRN „Preisauskunft nicht möglich“ an. Auf sbb.ch kann man natürlich ZVV-Tickets für Fahrten mit der S-Bahn Zürich erwerben. Eine Fahrt mit der S-Bahn Wien ist auf oebb.at zu buchen. Und in Großbritannien sind Verbund-Einzelfahrten vollständig ins nationale Eisenbahn-Tarifsystem integriert. Langsam setzen sich auch in Deutschland Online-Verbundtickets durch, die Shops sind aber oft über viele kommunale Verkehrsbetriebe verstreut und allenfalls Ortskundige wissen Bescheid.
Wettbewerb kann zumindest in einigen Aspekten helfen: Kauft man eine MVV-Fahrkarte am Meridian-Automaten, kann man mit Kreditkarte zahlen und Punkte sammeln. Dies geht am DB-Automaten nicht. Wenn die Branche zu mehr Kundenorientierung nicht fähig ist, dann wäre die Politik gefragt, etwa einen Deutschland-Tarif zu konzipieren. Doch so etwas ist nicht in Sicht. Auch von den Gewerkschaften hört man zu diesen Dingen leider nur sehr wenig. Dabei müssten die Arbeitnehmervertreter ein ureigenstes Interesse daran haben, ihre eigene Branche zu stärken. Stattdessen polemisiert man gegen die Fernbusbranche, die angeblich durch Lohndumping und Sicherheitsmängel geprägt sei. Doch das eigene Produkt wird nicht dadurch besser, dass man Wettbewerber mit Dreck bewirft. Ohne Kritikfähigkeit und den Willen zur Innovation wird der Marktanteil der Bahn wohl nur stagnieren.