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Interview mit NVR-Chef Norbert Reinkober (Teil 2): Stau auf dem Kölner Eisenbahnring

16.05.12 (go.Rheinland) Autor:Stefan Hennigfeld

Norbert Reinkober (50) ist seit acht Jahren Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS) und steht seit dessen Gründung am 1. Januar 2008 auch dem Zweckverband Nahverkehr Rheinland (NVR) vor. Er ist damit für den Eisenbahnverkehr in einer wachsenden Region zuständig, geprägt von Einpendlern aus dem Umland. Mit dem Eisenbahnjournal Zughalt.de sprach er über die Pläne für den SPNV, den Eisenbahnknoten Köln und die Marktsituation insgesamt. Bereits gestern erschien der erste Teil.

Lassen Sie uns zum Nahverkehr kommen. Im Moment steht die Ausschreibung der Linien RE 7 und RB 48 an. Das ist eine hochwertige RE-Linie abseits des Konzeptes Rhein-Ruhr-Express. Sie stehen auch zu den Kölner Zulaufstrecken, die nicht innerhalb des RRX aufgehen sollen?

Selbstverständlich.

Der RE 7 erhält eine Kapazitätsausweitung von derzeit 480 auf dann 540 Sitzplätze und wird erstmals in Wuppertal-Vohwinkel, Leverkusen-Opladen und Köln-Mülheim halten. Die Linie RB 48 wird wieder über den derzeitigen Endpunkt Wuppertal Hauptbahnhof hinaus nach Wuppertal-Oberbarmen verlängert. Wie sieht es denn dort mit der Kapazität aus?

Bei der Linie RB 48 werden wir auf der Achse Köln – Bonn unser Angebot in der Hauptverkehrszeit deutlich erweitern. Wir werden zusätzliche Fahrten anbieten und dort im Berufsverkehr – zusätzlich zu den Linien RE 5 und MRB 26 – einen Halbstundentakt während der Hauptverkehrszeiten anbieten. Dadurch steigt die Kapazität dieser Linie insgesamt.

Da wir im Rahmen dessen auch einen entsprechenden Fahrzeugbedarf haben werden, besteht im weiteren Verlauf die Möglichkeit, je nach Entwicklung unseres Budgets, auch einen ganztägigen durchgängigen Halbstundentakt zwischen Wuppertal-Oberbarmen und Bonn-Mehlem zu realisieren.

Das gilt so in ähnlicher Form auch beim Dieselnetz: Wir haben überall dort, wo wir es konnten und wo es mit einem realistischen Infrastrukturausbau möglich war, kurzfristig die Kapazitäten erhöht. Mehr Fahrten zu fahren ist viel teurer und aufwendiger als einmal in größere Fahrzeuge und längere Bahnsteige zu investieren. Wir haben mit Mühe und Not freie Trassen zwischen Köln und Bonn gefunden, prüfen diese gerade zusammen mit DB Netz und freuen uns daher sehr, dass wir Berufspendlern diese zusätzlichen Angebote in Zukunft machen können.

In den Hauptverkehrszeiten, wo wir großen Handlungsbedarf haben, haben wir mit DB Netz eine gute Lösung gefunden, um zwischen Köln und Bonn ein zusätzliches Zugpaar in der Stunde anbieten zu können. Die Linke Rheinstrecke ist hochbelastet und trotzdem können wir diese Leistungsausweitung machen. Pro Tag wird es nach derzeitigem Stand zwölf zusätzliche Fahrten geben, nicht immer im Takt, aber besser als der derzeitige Zustand.

Wieviele Sitzplätze werden die Züge haben?

Wir sind hier noch in Gesprächen mit unseren Partnern VRR und NWL, so dass wir momentan noch keine verbindliche Ansage machen können. Wir streben aber eine Kapazitätsausweitung an und können zusagen, dass der bedarfsgerechte Standard auf keinen Fall unterschritten wird. Momentan wird die Linie bedient von Triebzügen des Typs ET 425 in Doppeltraktion. Damit stehen 412 Sitzplätze zur Verfügung, davon 60 Klappsitze und 48 in der Ersten Klasse. Wir sind damit noch nicht am Ende und deshalb müssen wir mit manchen Aussagen auch noch warten.

In alten Zielnetzen stand noch eine S-Bahn-Umstellung der Linie RB 48 von Wuppertal bis Bonn. Planen Sie das noch immer?

Nein. Wir konzentrieren uns auf das, was wir für realistisch halten. Die Planungen aus den 90er Jahren sehen beispielsweise einen viergleisigen Ausbau zwischen Köln-Mülheim und Haan-Gruiten vor. Auch Pläne, die Linien RB 48 und RB 26 in irgendeiner Form durchzubinden, verfolgen wir nicht mehr – auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Vertragslaufzeiten.

Eine solche Linie weiter zu verlängern halten wir nicht für sinnvoll. Hier kommt ja nicht nur der beengte Knoten Köln zum Tragen, sondern diese Linie hat planmäßig eine Überholung. Eine Regionalbahnlinie von Mainz nach Wuppertal anzustreben halten wir daher für falsch. Seien wir ehrlich: Für solche Relationen ist der Nahverkehr auch nicht vorgesehen.

Auch die Achse Wuppertal – Köln ist ja vom Fernverkehr geprägt und überall dort werden ja Betriebsunregelmäßigkeiten mitgeführt, das zeigen alle Erfahrungen. Deshalb wollen wir für stabilen Nahverkehr sorgen. Das merken wir insbesondere bei der Linie RE 7: Was machen wir für Klimmzüge, um hier die Pünktlichkeit zu erhöhen. Diese Linie gehört zu denen in unserem Gebiet mit der größten Verspätungsanfälligkeit.

Warum ist das so?

Weil wir immense Probleme auf den Zulaufstrecken haben. Die Züge behindern sich gegenseitig und kommen sich so in die Quere. Schon relativ kleine Unregelmäßigkeiten schaukeln sich auf und potenzieren sich. Im Falle der Regionalbahnlinien können Probleme bis weit in die Region hineingetragen werden – und von dort kommen sie dann zwei bis drei Stunden später wie ein Bumerang zurück. Deshalb brauchen wir an vielen Stellen zusätzliche Weichen, mehr Überholmöglichkeiten, signaltechnische Ertüchtigungen und vieles mehr. Dadurch wird der Betrieb stabilisiert und die Eisenbahn insgesamt zuverlässiger.

Den Stau, den wir auf dem Kölner Autobahnring haben, den haben wir auch auf dem Kölner Eisenbahnring. Zwar stehen die Züge nicht Stoßstange an Stoßstange und sind deshalb nicht so augenscheinlich, aber die Probleme sind die gleichen. Die Schwierigkeit ist, hier ein Problembewusstsein zu wecken. Das wird die Hauptarbeit der nordrhein-westfälischen ÖV-Branche in den nächsten Jahren sein.

Wenn die Linie RB 48 zweimal pro Stunde nach Bonn fährt, was ist dann mit der geplanten Verlängerung nach Köln Bonner Wall?

Die Verlängerung nach Bonner Wall ist einerseits eine Zukunftsoption, andererseits ist sie aus dem Knotengutachten Köln als Notwendigkeit herausgekommen. Wir wollen im Rahmen der betrieblichen Optimierung des Kölner Hauptbahnhofes dort keine Linie mehr enden lassen, sie müssen durchgebunden werden.

Der Bonner Wall ist dabei ein Sprungbrett im Hinblick auf die langfristige Entwicklung des Zielkonzeptes. Aber die Stationen, die auf dem Weg dorthin liegen, die sind gerade für Städte wie Wuppertal oder Solingen, die ja von der Linie RB 48 angefahren werden, durchaus von großem Interesse. Stationen wie Köln West oder Köln Süd erschließen die Universität und Verwaltungsstandorte. Hier lohnt es sich für viele hinzufahren. Die Züge am Bonner Wall enden zu lassen wäre eine Möglichkeit, die Züge wenden zu lassen, ohne dass man zusätzliches Rollmaterial braucht.

Mir wäre lieber, wenn wir viele Linien im Hauptbahnhof enden lassen könnten, um Verspätungen vom einen nicht auf den anderen Ast zu übertragen. Das schaffen wir aber wegen des schlechten Infrastrukturausbaus dort nicht. Von daher ist die zweite Alternative, sie durchzuführen und zusätzliche Erschließungen als eine Art ´betriebliches Abfallprodukt´ mitzunehmen. Es ist nicht unsere erste Priorität, sondern es ist dem Umstand geschuldet, das bestmögliche aus der schlechten infrastrukturellen Situation zu machen.

Wollen Sie die Linie S 13 nach wie vor nach Bonn-Oberkassel führen?

Ja.

Die Kosten sind schon während der Planung von 150 Millionen Euro auf 351 Millionen Euro gestiegen und der Bund verlangt ein neues Gutachten. Wie sehen Sie diese Situation?

Der Bund verlangt das neue Gutachten nicht speziell für die Linie S 13, sondern es ist eine grundsätzliche Vorgabe für all diese Maßnahmen. Das Gutachten ist momentan in der Abstimmung und sieht sehr positiv aus. Es ist eine Gesamt-S-Bahnkonzeption um die es hier geht. Wenn man stets nur einzelne Außenäste betrachtet, dann wird man nie einen vernünftigen Kosten-Nutzen-Faktor bekommen.

Wann ist die Ausschreibung der Linien RE 8 und RB 27 geplant?

Das hängt vom weiteren Verlauf des Ausbaus der Linie S 13 ab. Es muss dort ein Gesamtkonzept geben und deshalb müssen wir damit abwarten. Hier wollen wir zudem auch die Linie S 6 bis Pulheim verlängern.

Im Zweifel müsste als der Vertrag mit DB Regio NRW für die Linien RE 8 und RB 27 als Notvergabe oder Auferlegung verlängert werden?

Ja, diese Möglichkeit besteht. Wir werden nach Recht und Gesetz ein sauberes, rechtssicheres und -konformes Verfahren durchführen.

Warum erfolgt die Verlängerung der Linie S 6 nicht sofort, wie sie im Zielnetz für 2016 vorgesehen ist? In der Hauptverkehrszeit an Schultagen wird das bereits praktiziert. Es bräuchte halt einen zusätzlichen Umlauf.

Das ist ein rein finanzielles Problem. Wir gehen davon aus, dass wir das in einigen Jahren können werden, weil wir bei der Ausschreibung unserer S-Bahnen einiges an Einsparpotential sehen. Unser Ziel ist es, durch den Wettbewerb positive Ergebnisse für die notwendigen Ausweitungen zu erzielen.

Lesen Sie den dritten Teil des Interviews. Norbert Reinkober spricht über die Marktsituation im SPNV und den Wettbewerb der Staatseisenbahnen.

Bild: Holger Klein

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