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Die Nachricht, die keine ist

23.07.15 (Berlin, Brandenburg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Berliner Senat hat alle anderen Betreiber vergrault, weil man von Anfang an den langjährigen Schlechtleister S-Bahn Berlin GmbH als neuen und alten S-Bahnbetreiber haben wollte. Der heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Vorgänger Klaus Wowereit (beide SPD) haben sich von vornherein klar und deutlich positioniert – zumal Müller als Verkehrssenator bereits vor seinem Amtsantritt als Stadtoberhaupt für die Misere verantwortlich war.

Die Ausschreibungsmodalitäten waren so grotesk, dass der Rückzug aller anderen Bieter in der Natur der Sache lag. Hier ist ein Punkt erreicht, an dem es Zeit wird, den bisherigen Blick auf die Eisenbahnbranche einmal umzuschwenken. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Verkehrsunternehmen Aufträge haben wollen und quasi auf die Aufgabenträger angewiesen sind. Tatsächlich ist es jedoch genau andersrum. Die Aufgabenträger suchen jemanden, der ihnen Züge kauft und diese fährt.

Sie müssen also dafür sorgen, dass ihr Auftrag für private Unternehmen attraktiv wird. Ansonsten kommt die Deutsche Bahn mit einem Angebot, das deutlich über dem Marktpreis liegt, denn diese ist mitnichten die vermeintlich „gemeinnützige“ Bundesbahn, die gegen kapitalistische Privatunternehmen im Wettbewerb steht, sondern genauso gewinnorientiert wie alle anderen auch. Nun reden alle davon, dass ein Gebrauchtfahrzeugmarkt entstehen soll – das kann man kontrovers diskutieren, aber bei der S-Bahn Berlin gibt es für die Fahrzeuge ein Nachfragemonopol bei der öffentlichen Hand und wenn der Berliner Senat keine Garantie geben will, dass die Züge für die gesamte Abschreibungsdauer eingesetzt werden können, dann findet er eben auch keinen, der ihm welche vor die Tür stellt.

Dass man nun wohl lernfähig ist und nach Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen schaut ist dabei nur folgerichtig. Bei der Vergabe der Aufträge für den Rhein-Ruhr-Express hat die öffentliche Hand viel Geld gespart. Jetzt kann man ausführlich über die Frage diskutieren, wie das mit der Hersteller- oder Betreiberwartung ist, aber das ist gar nicht des Pudels Kern, denn im Endeffekt geht es darum, dass Züge, die kein Eigentümer anderweitig am Markt zu Einsätzen bringen kann, dauerhaft und abgesichert in Berlin fahren müssen. Übrigens hat sich auch in Nordrhein-Westfalen der Hersteller verpflichtet, die Züge einsatzbereit zur Verfügung zu stellen. Sollte also, warum auch immer, die Zulassung erlöschen, hat der Hersteller ein Problem und nicht der Aufgabenträger. Klar, die Züge fahren nicht, aber die würden auch dann nicht fahren, wenn sie im Eigentum des Betreibers stünden.

Die von DB Regio und VDV vorgetragene Logik, dass die Investitionsrisiken bei den Betreibern und nicht bei den Aufgabenträgern liegen sollten, geht an der Realität vorbei. Denn das Beispiel Berlin zeigt ja gerade, dass der Aufgabenträger ein riesiges Problem hat, wenn er niemanden findet, der ihm Züge vor die Tür stellt. Erst wenn man sich einmal die Abhängigkeit der Aufgabenträger von Betreibern und Fahrzeuggesellschaften vergegenwärtigt, lösen sich die Widersprüche in der Wahrnehmung auf.

Siehe auch: Berlin: Probleme bei der S-Bahnvergabe

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