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Berlin: Probleme bei der S-Bahnvergabe

23.07.15 (Berlin, Brandenburg) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Vergabe der S-Bahn Berlin ist erwartungsgemäß ins Stocken gekommen. Hintergrund ist, dass zwischen Senat und Deutscher Bahn erhebliche Unstimmigkeiten bei der Preisfindung ans Licht gekommen sind. Der Senat, der die Ausschreibung so gestaltet hat, dass andere Bieter wie National Express oder die asiatische Firma MTR aus dem laufenden Verfahren frühzeitig ausgestiegen sind, verhandelt nun exklusiv mit der DB AG. Diese will, so rauscht es im Berliner Blätterwald, pro Jahr rund hundert Millionen Euro mehr haben als bislang. Aktuell überweist der VBB im Auftrag des Berliner Senats und des Landes Brandenburg rund 240 Millionen Euro im Jahr an die zur Deutschen Bahn AG gehörende S-Bahn Berlin GmbH als Bestellerentgelt. Für das erste Los, das Los Ring, verlangt die DB AG demnach im Vergleich zu heute hundert Millionen Euro pro Jahr mehr.

Das können und wollen die Länder jedoch nicht finanzieren, sodass eine Aufhebung des Verfahrens nun doch wieder eine Option ist. In anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass die Bestellung von Fahrzeugen durch den Aufgabenträger und die Vermietung oder Beistellung an den Betreiber zu deutlich größeren Erfolgen geführt hat. Für netzweit vierhundert Triebzüge müssten insgesamt rund neunhundert Millionen Euro investiert werden. Geld, das sich der Betreiber über die Bestellerentgelte wiederholen wird. Es finanziert also in jedem Fall der Aufgabenträger die Fahrzeuge, ob direkt oder indirekt. Der Tagesspiegel berichtet nun erstmals unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Insider, dass die komplette Aufhebung des Verfahrens ernsthaft diskutiert würde.

Das Problem ist jedoch damit nicht gelöst: Ein nicht geringer Teil der Flotte, die Baureihen ET 480 und ET 485, verlieren im Laufe des ersten Halbjahres 2018 ihre Zulassung. Das ist bereits seit Jahren bekannt, wurde aber von den politisch Verantwortlichen über weite Strecken ignoriert. Im Oktober 2012 sprach der damalige VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz in einem Interview mit dem Eisenbahnjournal Zughalt.de noch davon, dass für den Fall einer späteren Betriebsaufnahme eine wie auch immer geartete „Vereinbarung“ mit dem Eisenbahnbundesamt getroffen werden müsse. Diese ist jedoch offensichtlich nicht zustande gekommen, sodass für die Zeit ab 2018 erhebliche Investitionen in die Bestandsflotte notwendig wären.

Diese steht zwar im Eigentum der Deutschen Bahn AG bzw. der S-Bahn Berlin GmbH, jedoch ist diese ohne eine finanzielle Gegenleistung nicht bereit, in ihre Flotte zu investieren. 140 Millionen Euro wären für die insgesamt 150 Fahrzeuge fällig, um sie im Jahr 2018 und danach noch betriebsfähig zu halten. Auch das hat die Verantwortlichen im Berliner Senat überrascht, denn intern war man von hundert Millionen Euro ausgegangen. Nun werden auch hier noch einmal vierzig Prozent mehr fällig. Gezahlt werden muss am Ende so oder so und unabhängig von der Frage, ob die Deutsche Bahn hier versucht Geld zu verdienen, ist der Senat auf eine funktionierende S-Bahn angewiesen.

Nachdem alle anderen Bieter aufgrund der unzumutbaren Bedingungen, etwa im Zusammenhang mit den Vorgaben bei den Fahrzeugen, aus dem Verfahren ausgestiegen sind, gibt es nun keine Alternativen. Das weiß man auch bei der Deutschen Bahn und selbst für den Fall, dass das aktuelle Verfahren aufgehoben werden sollte, müssen die Altfahrzeuge aufwendig saniert werden, ansonsten droht ab 2018 der Stillstand auf einem großen Teil des Netzes. Bereits 2010 und 2011 ist in Berlin über die Anschaffung der Züge durch den Aufgabenträger diskutiert worden. Jedoch haben sich SPD und CDU dagegen ausgesprochen, weil sie die Haushaltsrisiken für zu groß hielten. Der Betreiber sollte die Züge in eigener Regie anschaffen – dieser steht aber bis jetzt noch nicht fest.

Im Sommer 2011, als die Ausschreibung dringend hätte veröffentlicht werden müssen, hat sich insbesondere Klaus Wowereit (SPD) aufgrund der damals anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus dagegen ausgesprochen. Die Folgen treten nun ein, wo Wowereit nicht mehr im Amt ist. Die einzige Möglichkeit für den Fall eines Totalscheiterns aller Verhandlungen wäre für den Berliner Senat eine Auferlegung der Verkehre. Auferlegte Eisenbahnverkehre müssen zwar bezahlt werden, auch so dass das Unternehmen damit einen angemessenen Gewinn machen kann, jedoch wäre dann die Kalkulationsgrundlage offenzulegen. Ob der Senat damit „droht“, ist aktuell nicht bekannt.

Siehe auch: Die Nachricht, die keine ist

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