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Beim Barte des Gewerkschafters: Die GDL ist wieder da

15.09.14 (Allgemein, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Seit dem großen Lokführerstreik in den Jahren 2007 und 2008 ist eigentlich lange nichts gewesen. Wie in der letzten Woche von meinem Kollegen Max Yang an dieser Stelle ausgeführt, waren und sind die alljährlichen Verdi-Rituale im Kommunalen viel schlimmer, während man im Eisenbahnbereich mit ein paar Stunden Ausständen eigentlich stets gut leben konnte. Denn vergessen wir nicht: Die Blätter verfärben sich schon langsam bunt und die Bäume werden ihr Laub auch in diesem Herbst wieder abwerfen, ohne es rechtzeitig bei DB Netz anzumelden. Verspätungen und Unregelmäßigkeiten werden die Folge sein und niemand wird sich groß dran stören. Das gehört halt dazu. Was machen da schon ein paar Stunden Streik?

Also im Vergleich. Nur, dass es diesmal wieder anders ist. Es drohen massive Ausstände und sei es anfangs auch nur, weil sich zwei Gewerkschaften nicht einigen können, wer wen vertritt. Dabei ist es in dieser Phase aus der jeweils einzelnen Sicht nachvollziehbar: Dass die GDL den Anspruch erhebt, das gesamte Fahrpersonal zu organisieren und dass die EVG einen konzernweiten Tarifvertrag abschließen will. Man kann das jetzt schnell oder langsam über die Bühne bringen, zu befürchten steht leider die langsame Variante. Dabei hat die EVG bei den Lokführern keine Mehrheit und die GDL nicht bei den Zugbegleitern. Es ist wie bei zwei Kampfhähnen, die sich beobachten, bevor sie aufeinander losgehen.

Dass man im Interesse des eigenen Produktes eine schnelle Lösung finden sollte, fällt dabei hinten runter. Völlig realitätsfern sind Bestrebungen, dem einzelnen Lokführer oder Zugbegleiter die Wahl zu lassen, in welchen Tarifvertrag sie hineinwollen. Das hat dann mit dem Gedanken gleiches Geld für gleiche Arbeit überhaupt nichts mehr zu tun. Übrigens, das gilt auch bei der Forderung der GDL nach einer verringerten Wochenarbeitszeit. Normalerweise bin ich ein großer Anhänger der Tarifautonomie und versuche, Forderungen und Verhandlungsergebnisse möglichst nicht zu bewerten. Wenn der frühere GDL-Chef Manfred Schell das jetzt aber auch per Bildzeitung macht, dann kann ich es auch. Schell hat recht, in einer Situation, in der die Personaldecke viel zu dünn ist, würde eine verringerte Wochenarbeitszeit nur zu noch mehr Überstunden führen. Denn seien wir ehrlich: Niemand, nicht ein mal Gewerkschafter mit eigenem Auto, kann ein Interesse daran haben, dass Züge wegen Personalmangel ausfallen.

Das ist übrigens ein Punkt, an dem beide Gewerkschaften sehr viel intensiver und konstruktiver zusammenarbeiten könnten, wenn man es denn wollte: Denn, dass der DB-Konzern eine Einstellungsoffensive braucht, hat man inzwischen selbst im Bahntower eingesehen und es gibt gar keinen Grund, sich in so einer Sache zu zerstreiten, aber nach bester Sandkasten-Manier tun es GDL und EVG. Dabei hat die GDL in Fragen der Arbeitszeit zuletzt Kompromisse gemacht: Während die Arbeitszeit im EVG-Konzerntarifvertrag bei 38 Stunden liegt, liegt sie im Lokführertarifvertrag bei 39 Stunden. Auch das muss man berücksichtigen, wenn man die Lohnhöhe und Lohnsteigerungen der letzten Jahre bewerten möchte.

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