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Meine Interessen, deine Interessen

17.02.14 (Verkehrspolitik) Autor:Max Yang

Bei Strukturdebatten kommt es, wie wir etwa an der Positionierung des HKX, bei dem Fahrgastrechte-Urteil von 2013 oder bei der Vorbereitung des 4. Eisenbahnpakets sehen konnten, immer mehr zu einer Emotionalisierung. So finden die „Hausbesuche“ der Gewerkschaft EVG bei Abgeordneten des Europäischen Parlaments unter dem Motto „Keiner soll sagen, er habe nichts gewusst“ statt, der Vorsitzende Kirchner bezeichnet das vierte Eisenbahnpaket als reale „Bedrohung“. Solch martialische Aussagen kommen bei manchen Eisenbahnern durchaus an und werden, teilweise auch ohne kritisch überdacht zu werden, medial wiederholt.

Das Pflegen althergebrachter Feindbilder wird dem Ernst der Lage aber nicht gerecht. Denn nach wie vor besteht Reformbedarf. Der Anteil der Eisenbahn am Gesamtverkehrsaufkommen in Deutschland stagniert. Vor diesem Hintergrund darf die Politik keinesfalls die Interessen des staatlichen Ex-Monopolisten mit den Interessen des Gesamtsystems Eisenbahn oder des öffentlichen Verkehrs verwechseln. Selbst wenn man der Eisenbahn etwas Gutes tun will: Wir leben nicht mehr im Jahr 1950, als die Bundesbahn unumstritten Nummer 1 im Inlandspersonenverkehr war, Fernbusse gesetzlich verboten und Autos in Privathaushalten noch unerschwinglicher Luxus. Und auch vor 1994 war es keineswegs so, dass die Interessen der (oft als stilllegungswütig bezeichneten) Bundesbahn mit den Interessen der Schiene insgesamt gleichzusetzen waren und auch damals waren die Interessen der Fahrgäste selten deckungsgleich mit denen der Bundesbahn.

Heute kann sich ein milliardenschwerer und gewinnorientierter DB-Konzern auch ohne einen Pofalla Gehör bei der Politik verschaffen und wird oft mit der einstigen gemeinwirtschaftlichen Bundesbahn verwechselt. Die Privatbahnen hingegen werden gern in eine Schmuddelkinder-Ecke gestellt, die ihrer Rolle keinesfalls gerecht wird. Dabei kann gerade in einem fairen und ohne historische Altlasten ausgetragenen Wettbewerb der Schlüssel zur Renaissance der Schiene liegen. Sie könnten im Schienenpersonenfernverkehr ein adäquates Angebot für einen großen, preisbewussten Kundenkreis schaffen, der bisher das als teuer verschriene Bahnfahren eher gemieden hat. Auch die Eisenbahner könnten von mehr Arbeitsplätzen in der Branche durch neu eingetretene Unternehmen und einem Wettbewerb um Fachkräfte profitieren.

Ein unkritischer Konservatismus steht einer Branche, die im wahrsten Sinne des Wortes mit Bewegung zu tun hat, nicht gut zu Gesicht. Das hat gerade auch der DB-Konzern verstanden, der einerseits als Arriva auf dem offenen britischen Markt die dort sehr populären eigenwirtschaftlichen Angebote im Schienenpersonenfernverkehr ausbauen möchte, gleichzeitig aber gegen mehr Regulierung im deutschen Heimatmarkt opponiert und eine Marktabschottung über Direktvergaben anstrebt. Ein Blick in EU-Nachbarstaaten zeigt, dass es eben doch funktionierende Alternativen jenseits einer monolithischen (Ex-)Staatsbahn gibt. Angst, auch die Angst vor Neuem ist ein schlechter Ratgeber, wenn wichtige Strukturentscheidungen anstehen.

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