Warum der Fernbus was Gutes ist
08.05.13 (Fernverkehr, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Ein Bekannter von mir wohnt in Dortmund-Dorstfeld. Seine erwachsene Tochter studiert an der Universität in Siegen. Die Hauptbahnhöfe dieser beiden Oberzentren liegen rund 80 Kilometer auseinander, also könnte man meinen, dass die Fahrt dahin eigentlich relativ unkompliziert zu erledigen ist. Nun haben sich Vater und Tochter auf den Weg gemacht. Er mit dem Fahrrad, sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sonntags nachmittags von Dortmund-Dorstfeld nach Siegen.
Die Fahrt mit dem Zug dauert drei Stunden und zehn Minuten, was gemessen an der Luftlinie einer Durchschnittsgeschwindigkeit entspricht, die so miserabel ist, dass sie aus Rücksicht auf die diesen Text lesenden Eisenbahnfreunde nicht genannt wird. Fairerweise sind die 29 Minuten Aufenthalt am Dortmunder und die 31 Minuten Aufenthalt am Wittener Hauptbahnhof schon eingerechnet. Nur 94 Minuten braucht der Zug für die Strecke zwischen den rund 60 Kilometern entfernten Hauptbahnhöfen von Hagen und Siegen, was wiederum die Frage aufwirft, ob das Fahrrad nicht aus zeitlichen Gründen schlichtweg die bessere Alternative ist. Mit dem Auto, soviel steht fest, kann die Eisenbahn jedenfalls, wie üblich, nicht mithalten. Und tatsächlich wartete der Vater mit seinem Fahrrad schon vor der Siegener Haustür seiner Tochter, als sie mit Bus und Bahn angekommen ist, denn bei der relevanten Zeitdauer von Haustür zu Haustür schneidet die Schiene noch schlechter ab.
Reden wir nicht darüber, dass man durch angemessene Vertaktung rund eine Stunde sparen könnte, sondern über die Frage, welche Auswirkungen das für die Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger hat. Es führt zwangsweise dazu, dass niemand, der nicht mit allen Mitteln darauf angewiesen ist, mit der Bahn fährt. Wenn Fernbusse es tatsächlich schaffen, wie vom Automobilclub Mobil in Deutschland prognostiziert, innerhalb von einigen Jahren einen Anteil am Modal Split von zehn Prozent zu halten, dann wäre das vor allem ein deutliches Signal, wie schlecht die Eisenbahn ist und man müsste sich ernsthaft die Frage stellen, welche Rolle der Schiene in der deutschen Verkehrspolitik zuteil werden soll, zumindest abseits des Metropolverkehrs in den Agglomerationen.
Die Schienenlobby warnt davor, dass Fernbusse dem SPFV schaden könnten. Das wäre jetzt eigentlich nicht weiter schlimm, man nennt es Wettbewerb und es ist die Grundlage unseres Wohlstandes. Doch was ist bei solchen Linien, die bei der DB AG gerade so eben profitabel sind? Dabei unterschlägt man schnell, dass es diese DB AG selbst war, die massiv zum Abbau des SPFV beigetragen hat, die dafür verantwortlich ist, dass eine ganze Reihe deutscher Oberzentren nicht angebunden sind und dass sich daran auch bis auf weiteres nichts verändern wird. Fernbusse ermöglichen daher öffentliche Mobilität abseits vom eigenen Auto und können zu genau der Verkehrswende beitragen, von der alle reden, die aber in der Realität nicht mal ansatzweise vorhanden ist. Im konkreten Beispiel spricht nichts dagegen, dass ein eigenwirtschaftlicher Bus ein Angebot macht – die Eisenbahn macht de facto keines.