Elektromobilität und mehr!
29.05.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Letztes Jahr, wenige Wochen vor den Landtagswahlen, stelle die alte rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ihre neuen Konzepte zum Thema Elektromobilität vor. Sie beschränkten sich vollständig aufs Auto. Auf Nachfrage, wieso das sei, hieß es, das habe mit den vielen Arbeitsplätzen in dieser Branche zu tun. Das soll kein Lamento darüber werden, dass ein desolater Hersteller wie Opel seit Jahren künstlich am Leben gehalten wird, aber es zeigt, wie die Wahrnehmungen sind: Der Straßenbahnfahrer, der Triebfahrzeugführer, der Mechatroniker in der Werkstatt, der Schaffner, der Wagenmeister, der Rangierer und der Fahrdienstleiter: Sie alle kosten nur Geld. Dass da auch deutschlandweit mehrere hunderttausend Menschen in Arbeit und Brot stehen, nimmt so gut wie niemand zur Kenntnis.
Die Bogestra ist in Bochum ähnlich groß wie Opel. Nokia kam selbst in besten Zeiten nicht ansatzweise an die Personalintensität des kommunalen Verkehrsunternehmens. Diese fragwürdige Betrachtungsweise ist es, die dafür sorgt, dass beim Thema Elektromobilität ausschließlich über Autos gesprochen wird und nie über öffentliche Verkehrsmittel, dabei fahren diese schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in elektrischer Traktion und könnten in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sein. Das bedeutet aber keinesfalls, dass man sich im ÖV-Sektor auf seinen Lorbeeren ausruhen darf. Nur weil man da Erfahrungen mit Oberleitungen und Stromschienen hat, ist das kein Freibrief, Forschung und Innovation einzustellen.
Dazu gehört aber auch die öffentliche Förderung, Hybridbusse sind hier nur ein Teil des Ganzen. Auch auf der Schiene muss sich etwas tun. Natürlich braucht das Eisenbahnnetz eine Elektrifizierungsoffensive, es gibt überhaupt keinen Grund, auf zweigleisigen Hauptstrecken ohne Oberleitung zu fahren oder kilometerlang unter Draht zu dieseln, weil eine kleine Stichstrecke nicht elektrifiziert ist. Aber hier geht es schon los: Es gibt Strecken(abschnitte), die sich nicht elektrifizieren lassen, aus welchen Gründen auch immer. Die Müngstener Brücke ist so ein Beispiel, das denkmalgeschützte Bauwerk ist nicht stabil genug, um das Gewicht von Oberleitungsmasten auszuhalten. Aber Triebzüge mit Batterie, die auf einem elektrifizierten Abschnitt aus der Oberleitung nachladen können – während der laufenden Fahrt – und dann am Ende der Strippe mit gespeichertem Strom weiterfahren, könnten ein Ansatz sein, mit dem man auch auf der Schiene neue Wege begehen kann.
Dazu braucht es aber nicht nur eine kurzzeitige Investitionsbeihilfe durch Bund oder Länder, sondern vor allem sind die Aufgabenträger gefragt, bei innovativen Antriebskonzepten zu gewährleisten, dass die Züge auch dauerhaft eingesetzt werden können, denn hier erreicht man eine hohe Spezifizierung. Auch aus diesem Grund muss die elektrifizierte Eisenbahnstrecke in Deutschland die Norm sein, auf der Schiene in Dieseltraktion zu fahren entspricht nicht den Ansprüchen der Industrienation Deutschland. Deshalb darf sich die Verkehrswende nicht auf Elektroautos beziehen, auch die Schiene muss profitieren.