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VDV fordert neues Recht auf Direktvergabe im SPNV

16.09.11 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert angesichts immer mehr geplatzter Ausschreibungen im SPNV neue Regelungen zu Direktvergaben ohne Wettbewerb. Die EU-Verordnung 1370/07 sieht zwar Direktvergaben vor, jedoch nur unter strengen Gesichtspunkten, zudem müssen sie durch nationales Recht explizit erlaubt werden. Das ist zwar nicht der Fall, jedoch läuft in Niedersachsen derzeit eine Direktvergabe des RE-Kreuzes Bremen an DB Regio.

Insbesondere müsse Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) seine „ideologische Haltung“ zum Thema Wettbewerb aufgeben. VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff: „Der Wettbewerb im SPNV ist eingeführt worden, um Nahverkehr auf der Schiene effizienter und kostengünstiger anbieten zu können und damit die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Wenn sich an den Ausschreibungen aber niemand oder kaum jemand beteiligt, dann kosten sie nur Geld und sind völlig ineffizient, denn die Aufgabenträger und die Unternehmen müssen dafür Zeit und Personal aufwenden.“ Wolff spricht hier von etwa fünf Millionen Euro, die ein Verkehrsunternehmen pro Ausschreibungsteilnahme an Kosten hat.

Nicht nur dass zahlreiche Ausschreibungen seit dem letzten Jahr gescheitert sind, bei vielen anderen gab es zudem nur zwei oder drei Bieter. Wolff: „Wir steuern auf eine Vergabewelle zu, bis ins Jahr 2015 werden über 50 Prozent der Betriebsleistungen neu vergeben. Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der interessierten Bieter und damit die Zahl der Angebote kontinuierlich ab. Um das hohe Niveau im deutschen SPNV zu erhalten, muss die Direktvergabe eine gesetzlich eindeutig geregelte Alternative zum förmlichen Vergabeverfahren werden. Dies lässt sich zweifellos schnell und einfach über eine Anpassung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes regeln.“

Eine juristische Auffassung, die nicht unbedingt von allen geteilt wird. So sagte VRR-Geschäftsführer Martin Husmann auf einer Pressekonferenz wenige Tage nach dem Abellio-Urteil, dass eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes das Urteil nicht verhindert hätte, sondern dass man – wenn man Direktvergaben erlauben will – das Wettbewerbsrecht anpassen müsse.

Hintergrund: Die rot-grüne Landesregierung hat im Vorfeld des Urteils eine (später gescheiterte) Bundesratsinitiative in Gang gebracht, die das AEG ändern sollte, um das Urteil zu verhindern. Wäre diese Gesetzesänderung gekommen, hätte das nicht nur einen fragwürdigen Beigeschmack gehabt, sondern das Urteil wäre womöglich gar nicht verhindert worden.

Die EU-Verordnung 1370/07 erlaubt Direktvergaben unter der Bedingung, dass sie ein Jahr vorher im EU-Tender angekündigt werden. Jeder interessierte Marktspieler hat dann die Möglichkeit, sich in die Verhandlungen einzuschalten. Der Auftraggeber ist verpflichtet, das wirtschaftlichste Angebot zu Zuge kommen zu lassen. Zudem gibt die Optionen der Notvergaben, der Auferlegung und die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen die Verträge zeitlich und räumlich auszudehnen.

Hierbei kann nationales Recht allerdings restriktiver sein. Das ist in Deutschland seit dem Abellio-Urteil der Fall. Da die dort gekippte Direktvergabe aber intransparent gestaltet worden ist ohne dass irgendjemand die Möglichkeit gehabt hätte, mitzubieten, stellt sich die Frage, wie der Bundesgerichtshof entscheidet, wenn die europäischen Vorgaben eingehalten werden. Die Direktvergabe des RE-Kreuzes Bremen an DB Regio ist so ein Beispiel, hier wird allerdings wahrscheinlich niemand klagen.

Auch Bernhard Heitzer (FDP), Beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, ist der Auffassung, dass das jetzige Vergaberecht ausreichend sei. In einem Brief an den VDV, der dem Eisenbahnjournal Zughalt.de vorliegt, schreibt er „dass die Vergaberegelungen genügend Flexibilität bieten, um bei den anstehenden Vergabeverfahren zu wirtschaftlichen Ergebnissen zu kommen.“ Im Ministerium halte man es „für unschädlich, dass die Vergaberegelungen nicht speziell auf die komplexen Anforderungen des SPNV zugeschnitten sind. Viele Beispiele aus der Vergangenheit, bei denen die Aufgabenträger durch Ausschreibungsverfahren auch aus Sicht der Steuerzahler gute Ergebnisse erzielen konnten, belegen (…) die grundsätzliche Eignung des Vergaberechts auch für den SPNV.“

Weiter heißt es: „Eine Vergabe an ein Unternehmen ohne vorherigen Wettbewerb mag im Einzelfall ihre Berechtigung haben. Aber dafür enthält das Vergaberecht ebenso Regelungen.“ Man sei „bereit zu prüfen, ob es ggf. geringfügiger Anpassungen an diesen Vorschriften bedarf.“ Ein dringender Bedarf für eine Direktvergabeoption hält man für nicht notwendig.

Dieser Auffassung schließt man sich auch beim Privatbahnverband Mofair e.V. an. Wolfgang Meyer, einst Abellio-Chef und heute Mofair-Präsident: „Hier verlangt eine Gruppe von Verkehrsunternehmen mit irreführenden Behauptungen Schutz vor Wettbewerb, während alle anderen Bereiche der öffentlichen Hand dem Wettbewerb ausgesetzt sind und sparen müssen, um die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten.“

Auch die Kosten für eine Wettbewerbsvergabe hält man bei Mofair für deutlich niedriger als vom VDV angegeben. Statt fünf Millionen Euro pro Ausschreibung veranschlagt man „nur“ eine eine halbe Millionen Euro Verwaltungskosten beim Bewerber. Dem stehe dann allerdings auch die Chance gegenüber, einen langlaufenden Verkehrsvertrag im Wert von mehreren hundert Millionen bis zu mehr als einer Milliarde Euro zu erhalten.

Zudem schlägt der Verband in seinem aktuellen Wettbewerberreport weitere Möglichkeiten vor, Ausschreibungsteilnahmen attraktiver zu machen. Einerseits könne man wieder kleinere Vergaben einführen, um den Markteintritt von StartUp-EVU zu erleichtern, andererseits wird von einer Teilnahmeprämie gesprochen, um die Bewerbung attraktiver zu machen.

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