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Mehr Oberleitungen statt Hokuspokus-Antriebe

24.06.21 (Bayern, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es gibt Länder, da sind mit einer Oberleitung elektrifizierte Eisenbahnstrecken die Regel. Das ist in Deutschland leider nicht der Fall. Wahrscheinlich wird sich auch die nächste Bundesregierung darauf einigen, den Grad der Elektrifizierung im deutschen Eisenbahnnetz zu erhöhen und wahrscheinlich wird, zumindest von Seiten des Bundes, dennoch nichts zählbares bei rumkommen. Wir fördern Wasserstoffantriebe, Batteriezüge, alle möglichen Dinge, die in der Vergangenheit schon da waren, zum Teil auch mehrfach, sich aber nie durchsetzen konnten.

Auch heute kann man die sogenannten „alternativen Antriebe“ nur dann nutzen, wenn erhebliche Sonderfördergelder die ohnehin schon üppigen Regionalisierungsgelderprojektbezogen ergänzen. In einer normalem Marktvergabe würde niemand einen Wasserstoff- oder Batteriezug anschaffen, sondern entweder einen normalen Elektrotriebzug oder einen Dieselzug. Auch um den Preis, dass dieser womöglich auf einem erheblichen Teil seiner Strecke unter Fahrdraht in Dieseltraktion fahren müsste, weil ein anderer Teil keine Oberleitung hat.

Und genau da gilt es anzusetzen, aber vor Ort. Die Aufgabenträger müssen sich die Laufzeit ihrer Verkehrsverträge ansehen und aktiv werden: Wo in fünf Jahren schon eine neue Ausschreibung fällig ist, muss man kurzfristig eine Oberleitung bauen. Wo man noch zehn oder zwölf Jahre Zeit hat, kann man sich diese Zeit auch lassen, weil der aktuelle Verkehrsvertrag ja ohnehin erst erfüllt werden muss.

Aber zum Start eines neuen Verkehrsvertrages muss die Oberleitung stehen. Da, wo man in sehr kurzer Zeit neue Vertragsperioden hat, gilt es Übergangsvergaben zu machen, die mit den Bestandszügen für vielleicht noch drei oder fünf Jahre abzuschließen sind. Es gibt zudem die Möglichkeit, im Rahmen einer Nachbestellung, das Leistungsvolumen um zwanzig Prozent ohne Ausschreibung zu erweitern.

Bei einem Verkehrsvertrag mit 15 Jahren Laufzeit heißt das, dass man diesen ohne weiteres um drei Jahre ohne Ausschreibung verlängern kann. Diese Zeit muss man dann aber auch nutzen, um eine Oberleitung zu bauen. In der Regel amortisieren sich die Kosten für die Aufgabenträger bereits in der ersten Vertragsperiode, in denen nicht mehr mit Dieseltraktion, sondern elektrisch gefahren wird.

Die Aufgabenträger selbst sind also gefordert, dafür zu sorgen, dass es überall dort Oberleitungen gibt, wo bisherige Dieselnetze neu ausgeschrieben werden. Natürlich gibt es immer mal wieder auch Fälle, in denen das nicht geht. Sei es, dass eine Brücke die Traglast einer Oberleitung nicht aushält oder sei es, dass man vor Ort keine ausreichenden Strommengen produziert.

Wenn es aber an fehlenden Strommengen scheitert, wie soll dann eine Umstellung von nahezu der gesamten deutschen PKW-Flotte auf Elektromobilität gelingen? Da ist es deutlich wichtiger, Oberleitungen für die Eisenbahn zu bauen statt immer neue Fördergelder für E-Busse zu verbrennen. Eine deutliche Steigerung der Elektrifizierung muss das Ziel sein, dies ist aber vor allen Dingen vor Ort zu lösen und zu klären.

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