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Die Nachteile des Nettovertrages

30.11.15 (go.Rheinland, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es heißt immer wieder, und nicht zu unrecht, dass ein Nettovertrag im SPNV das unternehmerische Handeln des Betreibers verbessert. Im Prinzip stimmt das: Fallen die Fahrgäste weg, sinken die Einnahmen. Je mehr Leute fahren, desto höher der Verdienst. Das ist was gutes, denn unabhängig von möglichen Pönalisierungsmechanismen hat der Betreiber somit ein ökonomisches Eigeninteresse an möglichst vielen Fahrgästen.

Die kriegt er aber nur, wenn Qualität und Leistung stimmen. Gut, aber vielleicht auch nicht. Wenn die ÖV-Branche, ganz allgemein und ohne hier einen konkreten Bezug zu Köln herstellen zu wollen, darüber spricht, dass das wesentliche Wachstumspotential im Bereich der Captive Rider liegt, dann sind das ja gerade die Leute, die nicht die Alternative haben, einfach wegzubleiben. Captive Rider, was war das nochmal? Das sind die großen A, von denen man eigentlich mal weg wollte: Die Armen, die Auszubildenden, die Alten und ja, inzwischen auch die Asylbewerber.

Viele reden inzwischen ganz offen darüber, dass das Wachstumspotential der Captive Rider für Ansprüche der ÖV-Branche völlig ausreichen. Da wären wir also wieder bei den Zuständen zu alten Bundesbahnzeiten: Wer kein Auto hat, nimmt die Bahn. Dieses etwa bei der BVG AöR gerade auftretende Phänomen läuft allen Bestrebungen nach einer Verkehrswende im praktischen Alltag zuwider. In Köln kann man aber glücklicherweise feststellen, dass es hier anders aussieht: Die Verkehrsmittel des VRS sind eine ernsthafte Alternative zum Auto.

Gerade wer aus den Mittelstädten der Region nach Köln oder Bonn einpendelt, nimmt oft die Bahn. Das hat was damit zu tun, dass Autofahren in Köln eher weniger Spaß macht und dass die Schienenanbindungen, unabhängig von den vorliegenden Knotenplanungen, sehr gut sind. Es lohnt sich einfach. Aber: Die Fahrgäste werden dann eben immer mehr. Und da gilt es gegenzusteuern: Mit der Nachfrage muss auch das Angebot steigen. Das ist allerdings bei reinen Nettoverträgen ein großes Problem. Zwar steigen die am Markt erwirtschafteten Fahrgelderträge mit den Fahrgastzahlen, aber was nutzt das dem Aufgabenträger?

Der Betreiber kriegt das Geld und es steht eben nicht, zumindest nicht in der laufenden Vertragsperiode, zur Bestellung zusätzlicher Leistungen zur Verfügung. Hier ist in Zukunft, gerade in boomenden Großstadtregionen wie Köln/Bonn, Berlin, Hamburg, München oder Rhein-Main ein Umdenken nötig. Natürlich sind Anreizregelungen eine gute Sache: Fahren mehr Leute mit, gibt es mehr Geld. Aber ein so ausgestalteter Bruttovertrag ist im Interesse des Gesamtsystems dann eben doch die bessere Lösung.

Weil er verhindert, dass das Geld ohne Obergrenze einfach so an den Betreiber abfließt. Es könnte da eine ganze Reihe möglicher Vertragsgestaltungen geben und schlaue Leute mögen sich da ihre Gedanken drum machen. Aber auch bei den zuständigen Aufgabenträgern dürfte man das sehen. Aktuell erscheint es unwahrscheinlich, dass die nächste S-Bahnausschreibung in Köln in einem reinen Nettovertrag stattfindet. Denn Fahrgelder dienen eben vor allem dazu, das Angebot zu finanzieren.

Siehe auch: NVR bestellt zusätzliche S-Bahnleistungen

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