Wettbewerbspolitik fortsetzen
12.10.15 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld
Wie auch immer die Eisenbahnpolitik in Berlin und Brüssel aussehen mag, in Nordrhein-Westfalen werden seit Jahren marktwirtschaftliche Strukturen geschaffen, die dafür sorgen, dass die Qualität auf der Schiene steigt und der Zuschussbedarf sinkt. Gerade auch wenn man sieht, wo das S-Bahnnetz an Rhein und Ruhr herkommt und wie die Züge vor zehn Jahren aussahen, hat man bereits ein gutes Stück auf dem Weg zurückgelegt.
Nun aber muss es weitergehen und die wettbewerbliche Vergabe der Linien S5 und S8 unmittelbar nach dem Abellio-Urteil hat gezeigt, wie hoch das Einsparpotential im Vergleich zu alten Direktvergaben ist. Auch dass man bei großen Netzen mehrere Betreiber sucht, die sich einen Fuhrpark teilen ist hier der richtige Weg, den man bereits beim dann unter dem Label Rhein-Ruhr-Express laufenden RE-Netz eingeschlagen hat. Auch der Weg zur Loslimitierung ist richtig. Während des GDL-Streiks hat man mehrfach gesehen, dass das System Schiene um so stabiler wird, je mehr Unternehmen die Leistungen bringen. Es gibt eben einen Unterschied, ob man eines oder mehrere Standbeine hat. Wenn demnächst vielleicht Eisenbahn Müller bestreikt wird, können Meier-Rail und Schienen-Schultz das zwar nicht auffangen, wohl aber einen Totalstillstand verhindern.
Man hat das im Berliner RE-Netz gesehen, als die ODEG mitten im Streik verlässlich gefahren ist und somit für ein Grundangebot gesorgt hat. Die ODEG hat den Zuschlag damals erhalten, weil es bei der Vergabe Berliner RE-Netzes Stadtbahn eine Loslimitierung gegeben hat. Bei der Berliner S-Bahn, wo es erklärter politischer Wille ist, dass die DB AG weiterhin und dauerhaft einziger Betreiber ist, kam es teilweise zum kompletten Zusammenbruch des Betriebs. Die Erfahrungen mit dem jüngsten Streik der GDL dürfen zur Entscheidung, bei der S-Bahn Rhein-Ruhr eine Loslimitierung zu machen, beigetragen haben. Zurecht.
Und auch die Fahrzeugfrage wird vernünftig gelöst. Ein Teil des Netzes bekommt sofort Neufahrzeuge, ein anderer wird weiterhin mit den Zügen gefahren, die ab 2008 eingesetzt wurden. Auch wenn es niemand sagen mag, aber natürlich ist es das Ziel, Zugriff auf die ET 422 zu bekommen, die DB Regio seinerzeit angeschafft hat. Ob das funktioniert, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein anderer Bieter Fahrzeuge in der gewünschten Form hat, so dass wohl nur DB Regio in der Lage ist, dem VRR die Züge zu verkaufen bzw. zu vermieten.
Dann hat man noch einige Jahre Zeit, das gesamte Netz auf die Einstiegshöhe von 76 Zentimetern zu bringen und kann in den 2030er Jahren auch hier Neufahrzeuge verlangen. Mit der Umstellung auf den 15/30-Minutentakt ist zudem eine Aufwärtskompatibilität gelungen, die sicherstellt, dass bei höheren Regionalisierungsgeldern, einer besseren Ausstattung Nordrhein-Westfalens in der horizontalen Verteilung sowie höheren Markteinnahmen auch zusätzliche Leistungen bestellt werden können. Das ist der Vorteil eines Bruttovertrages, wie er auch jetzt wieder vergeben wird: Steigen die Fahrgeldeträge, fließt das Geld nicht ab aus dem System, es kann genutzt werden.
Siehe auch: VRR veröffentlicht S-Bahnausschreibung