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ÖV-System aus einem Guss

27.02.14 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Zeit der Denkmäler und Prestigeprojekte ist vorbei. Heute baut niemand mehr eine Schnellfahrstrecke, die zwischen zwei Oberzentren zehn Minuten spart, aber mehrere Milliarden Euro kostet. Das gilt vor allem dann, wenn die Schnellfahrstrecken vor den Toren der Großstädte beginnen und die letzten Kilometer bis in die Hauptbahnhöfe langsam gefahren werden muss. Sowohl die Rennstrecke von München nach Nürnberg, wie auch die Westerwaldachterbahn sind, so nett es ist solche zu haben, Paradebeispiele dafür, wie man trotz hoher Endgeschwindigkeiten die gesparte Zeit in den Knoten und Flaschenhälsen wieder vergeudet.

Deshalb gilt es, ganzheitliche Planungen zu machen. Dazu gehört aber auch, dass man die Stadt- und Straßenbahninfrastruktur in die Verkehrsplanungen mit einbezieht. Der bei DB Netz eingerichtete Netzbeirat ist eine gute Sache, aber auch hier schadet es nicht, gelegentlich mal nach links oder rechts zu gucken. So kann man den immer wieder ins Feld geführte Knoten Köln (nicht nur, aber auch) dadurch entlasten, dass man bereits frühzeitig, etwa ab Köln-Mülheim, Fahrgastströme auf die Stadtbahn lenkt und somit aus dem Hauptbahnhof frühzeitig heraus hält. Das ÖV-System muss ganzheitlich betrachtet werden, in mehrfacher Hinsicht. Es fängt damit an, dass der Verkehrsverbund heute mehr sein muss als nur der Einheitsfahrschein: Busse müssen sich am SPNV orientieren, gerade auch zur Tagesrandlage. Die Stadtgrenze darf nicht zur künstlichen Bruchstelle werden und solange man zwischen Köln und Düsseldorf im Regionalverkehr in Tariffragen vom „Grenzverkehr“ redet, solange gibt es in dieser Frage erhebliches Verbesserungspotential.

Das gilt nicht nur bei den Verkehrsangeboten, sondern insbesondere auch bei Fragen der Infrastrukturfinanzierung. Wir haben im deutschen Eisenbahnnetz, vor allem aber auch im Schienennetz außerhalb des DB-Konzerns, regelmäßigen Bedarf für Ersatzinvestitionen. Der Bund zahlt DB Netz eine LuFV-Pauschale; für die NE-Eisenbahnen und die kommunalen Betreiber von straßenbahnrechtlich zugelassenen Schieneninfrastrukturen fehlen äquivalente Finanzierungen gänzlich. Aber auch das kann nur eine Zwischenstufe sein. Es braucht für die öffentliche Infrastruktur einen Ansatz, der nicht mehr zwischen Neu- und Ersatzinvestitionen differenziert.

Auch hier ist FABI aus der Schweiz ein Vorbild. Dort wird in der Tat beides aus einem Topf finanziert, sodass der viel beschworene Satz „Erhalt vor Neubau“ tatsächlich umgesetzt werden kann. Wenn eine Stadt wie Essen nicht weiß, wie sie ihre Straßenbahn finanzieren soll, aber eine neue, zusätzliche Strecke baut, weil die öffentlichen Zuwendungen dafür ansonsten verfallen, dann zeigt das, dass die Infrastrukturfinanzierung in Deutschland einer anachronistischen Verteilung unterliegt. Gerade weil in zwanzig, dreißig Jahren das dicke Ende kommen wird, wenn die Unterhaltskosten dann noch stärker zu Buche schlagen. Darum muss das ÖV-System noch stärker als Einheit begriffen werden: Bei der Neu- und Ausbaufinanzierung, der Verkehrsplanung und der Intermodalität.

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