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Barrierefrei in die Zukunft

06.02.14 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Wer die Volkswirtschaftslehre dazu missbraucht, um auszurechnen, ob barrierefreie Umbauten ökonomisch richtig sind, wie das gelegentlich im Rahmen standardisierter Bewertungen getan wird, der hat nicht verstanden, was das Recht auf Teilhabe für jedermann bedeutet. Es ist in einem zivilisierten Land wie der Bundesrepublik Deutschland eine Selbstverständlichkeit, dass öffentliche Verkehrsmittel auch wirklich öffentlich sind und den Standards der Barrierefreiheit genügen. Dass dieser Anspruch erst jüngst ins aktuelle Personenbeförderungsgesetz aufgenommen wurde, mag zwar spät sein, ist jedoch richtig. Natürlich muss man Prioritäten setzen, denn die Investitionsmittel sind beschränkt und nicht barrierefreie Züge, die erst einige Jahre alt sind, muss man noch eine ganze Weile nutzen.

Die vollständige Inklusion von Menschen mit Behinderung ist keine Frage von Jahrzehnten, sondern von Generationen. Wenn man sich manch andere ÖV-Projekte anguckt, ist es dort aber nicht anders. Dass man in so großen Zeitspannen denken muss, scheint dem Sektor inhärent zu sein. Aber gerade deshalb ist es wichtig, dass man irgendwann mal anfängt. Die jetzt zur Anschaffung anstehenden RRX-Triebzüge werden das SPNV-Bild an Rhein und Ruhr auf Jahrzehnte prägen. Erst ums Jahr 2050 werden diese Züge wieder aus dem Betrieb genommen. Dasselbe gilt auch für die S-Bahntriebzüge, die in einigen Jahren angeschafft werden müssen, wenn die Verkehrsverträge zwischen DB Regio und VRR bzw. NRW ausläuft. Deshalb ist der jetzt geschlossene Rahmenvertrag zwischen der LAG Selbsthilfe NRW und dem VRR ein wichtiges Zeichen: Barrierefreiheit wird ernst genommen. Das reicht aber nicht, denn das ÖV-System beschränkt sich eben nicht auf den SPNV, sondern es git auch einen kommunalen Bus- und Schienenverkehr. Da muss man in diesem Zusammenhang sagen, dass es einfach unwürdig ist, wenn in der Landeshauptstadt Hochflurwagen mitten im Straßenraum halten und sich kein Mensch für barrierefreie Zugänge interessiert.

Natürlich gibt es Unternehmen, die die Ansprüche nicht rechtzeitig erfüllen. Aber es muss doch zumindest erkennbar Bewegung in die Sache kommt. Dabei sind die Voraussetzungen alles andere als gut: Über Jahrzehnte hat man im Tunnelwahn Hochflurwagen für den Stadtbahnsektor beschafft, weil man davon ausging, die Straßenbahn sei ein Auslaufmodell. Bei der S-Bahn wurden 96er-Züge angeschafft, weil die Annahmen stets davon ausgingen, es würde ein komplett eigenständiges System geben. In Berlin mag das ja so sein, aber bei Mischsystemen wie an Rhein und Ruhr ist die Zielsetzung, auf 76 Zentimeter umzusteigen, richtig. Auch dass es endlich wieder Toiletten geben wird in den Zügen, die vielfach als konventionelle Regionalzüge genutzt werden, ist ein guter Ansatz. Ob Senioren, Kinder oder Menschen mit Behinderung. Wir alle brauchen irgendwann gewisse Einrichtungen und Annehmlichkeiten im öffentlichen Raum. Deswegen müssen die Verantwortungsträger Bus und Bahn fit machen für eine barrierefreie Zukunft. Rollmaterial, Infrastruktur und alles, was dazu gehört in einer Gesellschaft der Inklusion.

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