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VRR: Der Blick zurück

04.03.13 (VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zeigt sich zufrieden mit dem abgelaufenen Jahr 2012. Die Zahl der Fahrgastfahrten stieg auf 1,1 Milliarden, 27 Millionen mehr als 2011. Diese Steigerung von 2,4 liegt über dem bundesweiten Durchschnitt, den der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Ende Februar mit 0,9 Prozent angegeben hat. Die Einnahmen sind stärker gewachsen als das Fahrgastaufkommen, was mit den jährlichen Fahrpreiserhöhungen zum 1. Januar zu tun hat, und stiegen um 3,8 Prozent bzw. 39,5 Millionen Euro auf 1,078 Milliarden Euro. Mit den Fahrgeldeinnahmen konnten im kommunalen ÖPNV rund 50 Prozent des Aufwandes gedeckt werden. Weitere 15 Prozent konnten durch Fahrgeldsurrogate finanziert werden. Hierbei handelt es sich um öffentliche Ausgleichszahlungen, etwa für die Schülerbeförderung oder den Transport von Schwerbeschädigten.

VRR-Vorstand Klaus Vorgang zeigte sich zufrieden: „Wir sind mit diesem Ergebnis außerordentlich zufrieden. Die steigenden Nutzerzahlen sind für uns ein Beleg, dass die Bewohner des VRR-Verbundgebiets unsere Bemühungen um einen leistungsfähigen und wirtschaftlichen Nahverkehr honorieren. Darüber hinaus ließ auch die erfolgreiche Integration der Verkehrsgemeinschaft Niederrhein (VGN) unsere Zahlen weiter steigen. Vor allem die jungen Fahrgastgruppen der Schüler und Studenten entwickeln sich positiv und wissen unser Angebot zu schätzen.“ Mit dem SchokoTicket für Schüler ist dem VRR bereits kurz nach der Jahrtausendwende die Einführung einer überregional bekannten Marke für Jugendliche gelungen. Trotz anfänglicher Kritik, z.B. von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, ist es gelungen, sich hier außerordentlich gut am Markt zu platzieren. Aber auch bei anderen Fahrausweisen sorgt die Abo-Strategie für ausreichenden Erfolg. Insgesamt haben jetzt 1,286 Millionen Menschen im Verbundgebiet ein Abo-Ticket, das sind 28.2000 oder 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Etwa jeder sechste der 7,8 Millionen Einwohner im VRR-Gebiet besitzt somit eine Zeitkarte, mit denen etwa acht von zehn Fahrten absolviert werden.

Dabei verzeichnete der Verkehrsverbund beim SemesterTicket und beim SchokoTicket die größten Zuwächse. Durch den in anderen Bundesländern bereits umgesetzten doppelten Abiturjahrgang nutzen etwa 21.000 Studenten (+12,1 %) mehr den ÖPNV regelmäßig. Der Zuwachs von rund 13.500 Schülern (+3,3 %) beruht auf der Integration der VGN. Die absoluten Zahlen stiegen so auf 190.000 verkaufte SemesterTickets und 429.000 SchokoTickets. Bei den FirmenTickets konnten auch neue Kunden gewonnen werden, die Zahl der abgesetzten Tickets stieg auf 139.000 (+2,2 %). Rückläufig sind die Zahlen jedoch beim BärenTicket für alle ab 60 und beim regulären Ticket 1000 bzw. Ticket 2000. Nach Angaben des VRR spielt hier vor allem die Einführung des SozialTickets eine Rolle. Auch die YoungTicketAbo-Variante verzeichnete mit 1.000 Stück einen leichten Rückgang um -1,4 Prozent. Nach wie vor sind jedoch die SchokoTickets mit 429.000 und die Ticket1000/2000 mit 396.000 verkauften Einheiten die größten Ticketgruppen. Seit dem 1. November 2011 ist das SozialTicket erhältlich, seit dem 1. Januar 2013 machen alle Kommunen im Verbund mit. Es ist für rund 911.000 berechtigte Personen zugänglich, im vierten Quartal 2012 gab es rund 55.000 SozialTicket-Kunden, was einer Nutzerquote von 6,0 Prozent entspricht. Im Jahresdurchschnitt nutzten 48.000 Menschen das SozialTicket.

Im Jahr 2013 rechnet man mit einer signifikanten Steigerung, weil die Zahl der Bezugsberechtigten auf 1,232 Millionen steigt. Dazu hat das SozialTicket nicht mehr den Aufdruck SozialTicket, sondern läuft nun unter dem Label meinTicket. Es ist somit nur noch indirekt als SozialTicket zu erkennen. Die Ausgleichszahlungen stammen vom Land Nordrhein-Westfalen, das rund 30 Millionen Euro im Jahr dafür zur Verfügung stellt. Somit werden andere ÖPNV-Kunden nicht belastet. Von den 30 Millionen Euro jährlich erhält der VRR rund 15 Millionen Euro als Ausgleichszahlungen. Im Übergang zur Verkehrsgemeinschaft Münsterland (VGM) hat es zum 1. Januar 2013 einige Änderungen gegeben, die je nach Einzelfall Vor- und Nachteile mit sich bringen. Vorgang: „Die Tarifangleichungen im Übergangsgebiet sind ein sinnvoller Schritt, um die bestehenden unterschiedlichen tariflichen Regelungen zu vereinheitlichen. Es handelt sich nicht um eine willkürliche Benachteiligung der Kunden aus dem Südkreis Borken, sondern die dortige Anpassung der Preise erfolgt an vergleichbar lange Relationen im Sinne einer Tarifgerechtigkeit.“

Ausgesprochen zufrieden ist man auch mit der Entwicklung im SPNV. Neben dem steigenden Kundenaufkommen gibt es auch eine seit Jahren eine positive Qualitätsentwicklung, die vor allem mit den erfolgreichen Wettbewerbsverfahren zusammenhängt. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre hat der VRR immer neue Möglichkeiten, ökonomischen Druck auf die Verkehrsunternehmen auszuüben, wenn es zu (fortgesetzten und wiederholten) Schlechtleistungen kommt. Mittlerweile wurden über 40 Prozent der Leistungen wettbewerblich vergeben, Tendenz klar steigend. Dass diese Zahl so gering ist liegt noch immer an einer Direktvergabe an DB Regio, die im Jahr 2003 noch unter der Verantwortung von Hubert Gleixner beschlossen worden ist. Auch wenn die nordrhein-westfälische Landesregierung und die Deutsche Bahn alles getan haben, um Wettbewerb so weit es geht zu verhindern, ist der Kurs seit Martin Husmanns Amtsantritt vor fast zehn Jahren klar: Der Wettbewerb läuft an.

Weitere Vergaben werden sowohl noch 2013 als auch in den kommenden Jahren folgen. Husmann: „Dank unserer Wettbewerbspolitik und den innovativen, mittelstandsfördernden Angeboten wie dem VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodell, haben wir in den zurückliegenden Jahren qualitative und finanzielle Erfolge im SPNV zu verzeichnen. Wir versuchen aber auch immer im Rahmen der Möglichkeiten und unter Wahrung der Wirtschaftlichkeit dem gesteigerten Fahrgastaufkommen Rechnung zu tragen und den Fahrgästen mit zusätzlichen Angebotsverbesserungen einen attraktiven Schienenverkehr anzubieten.“ Aktuell wurden auf der Linie RE 10 zwischen Düsseldorf und Kleve zusätzliche Kapazitäten bei der Nordwestbahn bestellt. Hier gab es zuletzt massive Probleme. Elf Fahrten in der Woche werden mit einem zusätzlichen Triebzug gefahren. So verkehren seit dem 18. Februar werktags die Abendfahrten sowie vereinzelte Wochenendfahrten in der gestärkten Traktion.

Bereits im Dezember 2012 wurden die S 1 und die RB 40 als Zuläufer auf die Universitäten in Dortmund und Bochum verstärkt. Zur Hauptverkehrszeit in den frühen Morgenstunden bringen zusätzliche Bahnen zahlreichen Studenten an die Hochschulen. Bis vor einigen Jahren gab es in Vorlesungszeiten auch ganztags Verstärkerzüge auf der Linie S 1 zwischen Bochum und Dortmund, um die Anbindungen an die Technische Universität Dortmund und die Ruhr-Universität Bochum zu verbessern. Diese wurden jedoch bis heute nicht wieder eingeführt, lediglich in der Hauptverkehrszeit fahren Entlastungszüge. Auch die Linie S 8 fährt zwischen Hagen und Wuppertal-Oberbarmen weiterhin nur im 20/40-Minutentakt. Diese Kürzung wurde auch im Rahmen der Neuvergabe nicht aufgehoben und ist somit bis in die 2030er Jahre hinein festgeschrieben.

Dafür hat es 2013 bei der Zugbegleitung enorme Verbesserungen gegeben. Ab Juni werden alle Züge der Linie RB 40 zwischen Hagen und Essen komplett mit Begleitpersonal fahren. Auch tagsüber wird die aktuelle Quote von 25 Prozent erhöht. Auf den Linien S 5 und S 8 wird die Zugbegleitung auf ein neues Konzept umgestellt. Das bedeutet, dass tagsüber mindestens jeder vierte Zug begleitet wird, abends annähernd alle Fahrzeuge. Diese neue, ab Sommer 2013 gültige Reglung resultiert aus dem erfolgreich abgeschlossenen Wettbewerbsverfahren der Linien und greift den neuen Fahrzeugen, die der Betreiber DB Regio ab Dezember 2014 einsetzten wird, schon vor. Husmann: „Ziel muss es sein, dass die Fahrgäste besonders abends ansprechbares, qualifiziertes Personal treffen.“

Noch im diesem Jahr wird Abellio die Linie RB 47 zwischen Wuppertal, Remscheid und Solingen übernehmen. Inwieweit das tatsächlich klappt hängt jedoch von den Bauarbeiten an der Müngstener Brücke an. Diese wird bis Mitte November, also wenige Wochen vor dem Fahrplanwechsel, voll gesperrt sein. Bereits in einigen Wochen steht die Entscheidung für die Vergabe des Elektronetzes Niederrhein an, das die Linien RB 33 von Mönchengladbach nach Wesel und RB 35 von Düsseldorf nach Arnheim umfasst. Nach einiger Einigung mit den zuständigen Stellen auf niederländischer Seite konnte diese Verlängerung in Angriff genommen werden. Bei der Vergabe rechnet der VRR mit hoher Resonanz auch von mittelständischen Unternehmen, u.a. weil diesmal neben dem bekannten Finanzierungsmodell auch eine Werkstattförderung angeboten wird. Diese umfasst eine finanzielle Unterstützung sowohl beim Grunderwerb als auch beim Bau notwendiger Immobilien.

Langfristig gesichert ist die zuletzt stilllegungsbedrohte Linie RB 43 von Dortmund nach Dorsten. Martin Husmann: „Trotz der bis heute niedrigen Fahrgastzahlen ist die Finanzierung durch das ÖPNV-Gesetz NRW gesichert. Nun liegt es an den örtlichen Partnern, die Anlagen und Zuwegungen für die Fahrgäste attraktiver zu machen und so mehr Fahrgäste auf die Schiene zu locken. Als Bewilligungsstelle für Infrastrukturmittel des Landes zum Ausbau der SPNV-Anlagen werden wir die Kommunen und DB Station & Service dabei selbstverständlich unterstützen.“ Hier fährt momentan die Nordwestbahn, sie wird aber in das Wettbewerbsverfahren um das Dortmund-Sauerland-Netz integriert. Eine Entscheidung steht noch in diesem Jahr an. In der Frage, wer die Linien RE 7 und RB 48 fahren wird, sind die Würfel bereits gefallen: Ein Konsortium aus National Express und IntEgro soll den Zuschlag erhalten. Allerdings hat DB Regio als unterlegener Bieter Widerspruch eingelegt. Am 19. März gibt es einen Termin vor der Vergabekammer Münster in Westfalen.

Sollte diese Sache durch die Instanzen gehen, steht zu befürchten, dass die angestrebte Betriebsaufnahme im Dezember 2015 verschoben werden muss. Der bisherige Betreiber ist DB Regio. Das Unternehmen wird in diesem Fall jedoch keine freihändige Vertragsverlängerung geben, sondern es wird eine Notvergabe oder Auferlegung geben und Martin Husmann kündigte an, in dieser Sache auch mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen zu sprechen. Dabei ist es durchaus möglich, dass nur einzelne Umläufe von Wettbewerbsbahnen gefahren werden. Somit soll verhindert werden, dass DB Regio am Einspruch und dem sich anschließenden Verfahren selbst bereits ein ökonomisches Eigeninteresse hat. Im Falle einer Auferlegung müsste DB Regio zum Zwecke der Preisfindung zudem die Kalkulation offenlegen, was man dort bislang stets erfolgreich vermeiden konnte.

Ein weiteres großes Thema ist die anstehende Einführung des Rhein-Ruhr-Express, zu dem sich, so Husmann, die Deutsche Bahn „bereits mehrfach folgenlos bekannt“ habe. Die Linien RE 1, RE 5, RE 6 und RE 11 sollen gemeinsam in zwei Losen ausgeschrieben werden. Die Aufgabenträger und die Landesregierung aus Düsseldorf wollen dabei ein besonderes Modell anwenden: Man tritt in direkte Vertragsverhältnisse mit den Herstellern ein, die die Züge liefern und für 30 Jahre instand halten und reinigen sollen. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen ist dabei „nur“ noch für die sichere Betriebsdurchführung zuständig, jedoch nicht mehr für den Zustand des Rollmaterials. Ein Thema, das branchenweit kontrovers diskutiert wird. Husmann: „Die Entkopplung von Fahrzeugbeschaffung und Betrieb der zukünftigen RRX-Linien wollen das Land NRW und die Aufgabenträger mit einem eigens entwickelten Finanzierungsmodell realisieren. So wollen wir trotz des immensen Investitionsvolumens für die RRX-Fahrzeuge einen funktionierenden SPNV-Wettbewerb ermöglichen. Ob dies wie geplant realisiert werden kann, hängt von der Bereitschaft aller SPNV-Aufgabenträger und des Landes NRW ab, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und den RRX tatsächlich auf den Weg zu bringen.“

Hintergrund ist, dass der Kölner Aufgabenträger NVR kurz vor Weihnachten ein neues Modell vorgeschlagen hat, welches zum Ziel hatte, Bietergemeinschaften aus Herstellern und Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Markt zu holen und auf Losbildung verzichtet hätte. Husmann übte daran schwere Kritik und sprach diesem Modell im Eisenbahnjournal Zughalt.de die Ernsthaftigkeit ab. Eine Entscheidung wird noch im ersten Halbjahr erwartet. Ebenfalls zufrieden zeigte man sich mit der Qualität auf der Schiene. Die jährlichen Qualitäts- und Stationsberichte werden im März von den Gremien verabschiedet und dann veröffentlicht. „In beiden Berichten ist erkennbar, dass sich die Qualität auf und neben der Schiene gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert hat. Es sind jedoch nach wie vor auch offenkundige Defizite vorhanden, die im Sinne der Fahrgäste in unserer Region behoben werden müssen,“ so Martin Husmann.

Seit Beginn der Berichte im Jahr 2007 hat sich allerdings eine Menge getan. Anfangs wusste DB Station und Service Husmann zufolge größtenteils nicht, in welchem Zustand ihre Anlagen sind, was sich mittlerweile jedoch erheblich verbessert habe. Zentrale Aussage der Qualitätsberichte ist, dass die Qualität überall dort gut ist, wo bereits Wettbewerbsverfahren stattgefunden haben. Besonders negativ nimmt Husmann die Kapazitäten auf den Linien RE 1 und RE 5 von DB Regio heraus, auf denen eigentlich seit Dezember 2010 ein sechster Waggon fahren soll und die Leistungen von Keolis auf den Linien RE 3 und RE 13. Dort seien intensive Gespräche geführt worden. „Und wenn ich sage intensiv, dann meine ich auch intensiv“, so Husmann.

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