SPNV: Regionalisierung fortschreiben – Verantwortung in Länderhand geben
23.07.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Gerade war es zwanzig Jahre her, dass die Eisenbahnreform in Deutschland politisch beschlossen worden ist. Aus den Überresten der Behördenbahn sollte die Deutsche Bahn AG werden – ein modernes und kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen. Der defizitäre Regionalverkehr sollte künftig von öffentlichen Institutionen bestellt werden – entweder bei der DB AG oder bei anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen.
Und daraus wurde eine große Erfolgsgeschichte. Die Eisenbahn wurde wieder eine ernsthafte Verkehrsalternative. Junge Menschen unter dreißig sind am ehesten bereit, umzusteigen. Kein Wunder, denn die kennen die Bundesbahn nicht mehr. Die veralteten Silberlinge wurden auf immer mehr Strecken durch zeitgemäße Züge ersetzt, durch Ausschreibungswettbewerbe sank der Zuschussbedarf der öffentlichen Hand und wo zuvor nach Lust und Laune gefahren wurde, hat ein verlässlicher Taktverkehr mit gesicherten Anschlussbeziehungen der ständigen Verfügbarkeit des Autos etwas entgegengesetzt.
Zentraler Punkt ist, dass es erstmals in der Geschichte der Eisenbahn feste Vereinbarungen über die Finanzierung des strukturell defizitären Betriebs gegeben hat. Der Bund leitet die Gelder zweckgebunden an die Länder weiter. Diese können das Budget natürlich aus dem eigenen Haushalt aufstocken – müssen es aber nicht. Die Zeiten, dass eine aufgeblähte Eisenbahnbehörde ihre Defizite durch eigene Kreditaufnahme ausgleichen muss, sind vorbei.
Doch nach zwanzig Jahren muss dieses Modell fortgeschrieben werden. Es wird Zeit, dass die Länder auch die finanzielle Verantwortung übernehmen. Eine Verantwortung, die sie im Rahmen der Föderalismusreform selbst haben wollten. Mit der Senkung der Regionalisierungsgelder 2007 wurde schon der erste Schritt gemacht: Die Länder erhielten eine Überkompensation aus den Mehreinnahmen, die durch die Umsatzsteuererhöhung generiert worden sind. Geld, das jetzt nicht mehr zweckgebunden ist.
Es braucht eine weitere einmalige Änderung des Verteilungsschlüssels der Steuereinnahmen, um zu verhindern, dass der Bund dieses Geld anderweitig ausgibt. Und dann sind es die Länder selbst, die die entscheiden müssen, wie wichtig ihnen Eisenbahn und ÖPNV sind. Forderungen bestimmter Landesregierungen, dass der Bund anderen Ländern Geld wegnehmen soll, wären dann beendet. Es läge an den Landesparlamenten und -regierungen selbst, zu entscheiden, welches Verkehrsangebot man bestellen und somit auch bezahlen will.
Dadurch hätten die Länder auch eigene Anreize an wirtschaftlicher Vergabe. Ein Vorgang wie er vor zwei Jahren in Nordrhein-Westfalen passiert ist, als die rot-grüne Landesregierung den rechtswidrigen Verkehrsvertrag zwischen VRR und DB Regio durch Gesetzesänderung nachträglich legitimieren wollte, war wohl nur möglich, weil dort Bundes- und keine Landesgelder verbrannt worden sind. Auch Forderungen nach einem neuen Recht auf Direktvergaben würden sich in Wohlgefallen auflösen, wenn die Länder aus ihrem eigenen Haushalt die Mehrkosten dafür finanzieren müssten.
Das ist ein zentrales Problem in der jetzigen Konstellation: Länder und Aufgabenträger haben kein Eigeninteresse an wirtschaftlichem Handeln, denn sie spielen quasi mit „fremdem Geld“. Gerade die Länder, so sie unabhängige Bestellerorganisationen haben, könnten dann zwar keine Forderungen mehr stellen im Stil von „der Bund muss uns die Infrastruktur für den Rhein-Ruhr-Express schenken und dann den Betrieb bezahlen“, aber sie hätten Verantwortung für die Daseinsvorsoge vor Ort. Deshalb ist es an der Zeit, die Regionalisierung im Sinne ihrer inneren Logik fortzuschreiben.