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BVÖD fordert Direktvergaben im ÖPNV – Kritik von Mofair

08.05.12 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverbandes öffentliche Dienstleistungen (BVÖD), der sich aus Professoren verschiedener Fachrichtungen zusammensetzt, fordert vor dem Hintergrund der strittigen Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes eine Anpassung des nationalen Ordnungsrahmens. Dabei ist insbesondere die Möglichkeit von Direktvergaben gemeint. Schwere Kritik kommt dabei vom Privatbahnverband Mofair. Dieser weist daraufhin, dass der BVÖD von Stadtwerke-Konzernen und internen Betreibern dominiert sei.

In der Europäischen Verordnung 1370 / 2007 gibt es mehrere Möglichkeiten zur Direktvergabe. Neben Auferlegungen und Notvergaben sind dort die Inhouse-Vergabe an einen internen Betreiber und auf maximal zehn Jahre beschränkte Direktvergaben an private Unternehmen vorgesehen. Letzteres aber ausdrücklich nur, wenn nationales Recht dem nicht entgegensteht. Das ist in Deutschland aber der Fall, wie der Bundesgerichtshof mit dem Abellio-Urteil höchstrichterlich entschieden hat.

Prof. Frank Schulz-Nieswandt von der Universität zu Köln sieht daher die Gefahr, „dass insbesondere die von der EU-Verordnung ermöglichte Direktvergabeoption in Deutschland nicht rechtssicher ausgeübt werden kann.“ Ähnlich wie auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der ebenfalls von kommunalen Eigenbetrieben und Stadtwerke-Konzernen dominiert ist, spricht auch der BVÖ davon, dass wettbewerbliche Verfahren „immer häufiger ins Leere“ liefen.

Dass das auch etwas mit der Art und Weise zu tun hat, wie ausgeschrieben wird, hat allein in diesem Jahr zweimal der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) gezeigt: Hier wurden ein RE-Netz und zwei S-Bahnlinien wettbewerblich vergeben und jeweils hervorragende Preise erzielt, die weit unter denen lagen, mit denen im Vorfeld kalkuliert worden ist. Letztere Ausschreibung ist zudem erzwungen worden, weil eine viel teurere Direktvergabe gerichtlich einkassiert wurde. Zu diesem Vorgang äußert sich man beim BVÖD jedoch nicht. Welche Ausschreibungen konkret „ins Leere“ gelaufen seien wird ebenfalls nicht näher erläutert.

Das Problem sieht auch Mofair-Präsident Wolfgang Meyer, der viele Jahre selbst Alleinvorstand der Essener Verkehrs AG war. Wissenschaftler „sollten sich hüten, mit der Aura und Unabhängigkeit und Objektivität, der der Wissenschaft gemeinhin beigemessen wird, Politik zu machen.“ Meyer hält den wissenschaftlichen Beirat der BVÖD für nicht neutral und verweist darauf, dass dieser von denjenigen finanziert wird, die ein hohes Eigeninteresse an Direktvergaben haben.

Zudem wird die Inhouse-Vergabe an dieser Stelle mit der Direktvergabe an ein privates Unternehmen verwechselt. Mofair verweist darauf, dass es keine konkreten Vorgaben gibt, wie im Falle einer Bewerbung eines interessierten Unternehmens zu verfahren ist, wenn eine Inhouse-Vergabe geplant ist. Deshalb sieht der bestehende Gesetzentwurf an dieser Stelle ein geordnetes Verfahren vor, das der Beirat der BVÖD einen „Stolperstein“ nennt.

Mofair kritisiert, dass die Mehrkosten für die öffentliche Hand völlig außer acht gelassen werden. So sieht der Verband etwa bei der S-Bahn Berlin eine Überkompensation von zwei Milliarden Euro über den gesamten Vertragszeitraum. Die Forderungen der Professoren bewertet Mofair in einer Presseerklärung negativ: „Die Marktstellung der alteingesessenen Unternehmen, hier vor allem der Deutschen Bahn, soll auch in Zukunft durch Direktvergaben abgesichert werden.“

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