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Der Wettbewerb schützt vor dem totalen Chaos

12.08.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Rund vierzig Prozent der SPNV-Leistungen in Deutschland werden von Wettbewerbsbahnen betrieben. Ob die nun Abellio oder National Express heißen, Eurobahn oder ODEG, Vlexx oder Cantus: Sie alle sorgen dafür, dass der Eisenbahnverkehr nicht vollständig zum Erliegen kommt. Eine bunte Betreibervielfalt stellt sicher, dass bei Problemen eines Unternehmens nicht alle Räder stillstehen.

Denn Probleme bei einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen können vielfältiger Natur sein, sie gehen nicht ausschließlich auf Streikaufrufe zurück. So kann es in der Werkstatt zu Schwierigkeiten kommen und es fehlt den Zügen an Einsatzbereitschaft. Personalmangel ist ein Thema, das die gesamte Branche in den letzten Jahren kennengelernt hat. Jetzt ist es – erstmals seit dem Jahr 2015 – die GDL, die bei der DB AG zu Streiks aufruft.

Dabei vergessen wir mal folgendes nicht: Wir reden hier nicht über die bei Verdi im Stadtbusverkehr üblichen jährlichen Rituale von 24 oder 48 Stunden „Warnstreik“. Über einen solchen ist man hier längst hinweg. Es gab schon 2015 eine Grundsatzvereinbarung zwischen GDL und DB AG, dass man bei Konflikten generell erst in ein Schlichtungsverfahren einsteigt und erst dann kann es Streiks geben.

Daran sollte sich manch andere Gewerkschaft mal ein Beispiel nehmen. Hier ist tatsächlich im letzten Jahr, ohne große Beachtung der Öffentlichkeit, ein Schlichtungsverfahren unter der Moderation des früheren SPD-Politikers Matthias Platzeck gescheitert. Es hat eine Urabstimmung gegeben, nach der im Prinzip auch ein unbefristeter Streik möglich sein könnte. Ob es soweit kommt, bleibt abzuwarten.

In einem so hohen Grad der Eskalation jedenfalls sind auf mehrere Tage beschränkte Ausstände jedenfalls nicht mehr als unverhältnismäßig zu bezeichnen. Wie die Tarifforderungen selbst zu bewerten sind, ist eine andere Frage. Persönlich bin ich aber sehr wohl der Auffassung, dass es legitim ist, sich am Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes zu orientieren.

Ein Vergleich mit Flughäfen, auf denen über Monate alles stillstand, ist jedenfalls nicht passend. Dazu kommt, dass die gesamte Branche, aber auch die DB AG einen erheblichen Personalbedarf hat. Man braucht dringend Mitarbeiter und wie kann man diese besser kriegen als mit attraktiven Tarifverträgen? Mit dem Anspruch, Branchenprimus zu sein könnte auch der Anspruch einhergehen, bessere und höhere Löhne zu zahlen als die anderen – die dann wiederum nachziehen müssten.

Freilich kann man das auch anders sehen und sagen, dass die Eisenbahner dankbar sein müssten, nicht arbeitslos zu sein. Jeder soll seine Meinung haben, aber eins ist mir in den letzten Tagen aufgefallen: Verkehrspolitiker aller Parteien im Bund in den Ländern täten gut daran, ihre Meinung für sich zu behalten und statt dessen auf die Tarifautonomie zu verweisen. Diese ist nämlich wirklich ein schützenswertes höheres Gut. Die Tarifparteien machen die Löhne, sie werden nicht im Parlament beschlossen und dort zurecht auch nicht diskutiert. Daran sollten sich alle halten.

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