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Ruhr-Sieg-Strecke: NWL will wieder InterCity alimentieren

05.03.18 (Fernverkehr, NWL, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Vergabe des Elektronetzes Ruhr-Sieg ist gerade erst gelaufen; Abellio Rail NRW konnte die Vergabe für sich entscheiden. Nun möchte der Aufgabenträger Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) einen erheblichen Teil der Linie RE 16 im Ruhr-Sieg-Korridor in den kommenden Jahren abbestellen und stattdessen Geld für pro forma eigenwirtschaftlich fahrende Fernzüge zahlen, in denen dann die Nutzung mit Westfalentarif-Fahrscheinen möglich ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass man beim NWL Planungen dieser Art vorlegt: Bereits im Vorfeld der im Jahr 2016 erfolgten Ausschreibung für die Vertragsperiode 2019 bis 2034 gab es Ankündigungen, die Linie RE 16 nur noch im Zweistundentakt zu bestellen. Im Gegenzug hat man gehofft, dass DB Fernverkehr fahren würde und gegen Geldleistungen Nahverkehrskunden mitnimmt.

Es gab einen unterschriftsreifen Vertrag, dessen Abschluss erst in letzter Sekunde nach einer Klagedrohung durch Abellio abgesagt wurde. 2017 hatte man für die Mitte-Deutschland-Verbindung zwischen Hamm und Kassel ähnliches vor. Der NWL wollte Geld an DB Fernverkehr zahlen für die Anerkennung von Nahverkehrsfahrscheinen in Zügen, die vom NWL weder gegenwärtig noch in Zukunft bestellt werden – die also sowieso fahren.

Mehr Leistungen im Hellwegkorridor. Wiederum zog Abellio vor die Vergabekammer: Als künftiger Betreiber der Linie RE 11 hat man selbst Interesse angemeldet, mögliche zusätzliche Züge zu fahren. Die Auftragsersteilung wurde dem NWL durch die Vergabekammer untersagt, nun plant man die Ausschreibung solcher Anerkennungen: Nach dieser Logik sollen mehrere Betreiber, die zufällig auf der entsprechenden Relation eigenwirtschaftlich fahren, ein Angebot für die Anerkennung von Nahverkehrsfahrscheinen einreichen.

Beim ebenfalls für die Linie RE 16 zuständigen Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) kann man die Planungen des NWL nicht nachvollziehen. Vorstandssprecher Martin Husmann: „Man muss als Geschäftsmann seinen Partnern gegenüber zuverlässig sein, das gilt gerade in einem kapitalintensiven Geschäft wie der Eisenbahnbranche. Ausgeschriebene Leistungen abzubestellen und die Aufträge dann anderen privatwirtschaftlichen Akteuren zu geben, ist genau das nicht.“

Im VRR hat man seit letztem Jahr insgesamt sieben SPNV-Betreiber. Eine Zahl, auf die man stolz ist, die aber nicht von ungefähr kommt. Husmann: „Wir müssen gewährleisten, dass die Resonanz bei unseren Vergaben langfristig hoch bleibt. Die Planungen des NWL erreichen aber das Gegenteil. Kaufmännisch handelnde Unternehmen werden diese Unzuverlässigkeit zur Kenntnis nehmen und schlimmstenfalls von künftigen Ausschreibungsteilnahmen absehen. Genau das wollen wir verhindern.“

Ebenso überrascht zeigt man sich bei Abellio. Geschäftsführer Stephan Krenz: „Abellio verlässt sich darauf, dass die vom Aufgabenträger ausgeschriebenen und vergebenen Strecken im vertraglich vereinbarten Umfang auch geleistet werden sollen und können. Abbestellungen im Regionalverkehr durch zusätzlichen Fernverkehr darf es nicht geben.“

Eigenwirtschaftliche Züge, die dann vom Aufgabenträger finanziert werden, sind in Krenz´ Augen inakzeptabel: „Die Anerkennung von Nahverkehrstarifen durch den Fernverkehr stellt indirekt eine Subventionierung dar, die offensichtlich aus den Regionalisierungsmitteln finanziert werden soll. Wenn öffentliche Mittel für Verkehrsleistungen vergeben werden, dann muss es zu jedem einzelnen Auftrag entsprechende Ausschreibungen geben.“

Krenz: „Dies betrifft dann nicht nur die Anerkennung von Nahverkehrstickets in Fernverkehrszügen, sondern dazu gehören dann komplett alle Leistungen inklusive den Betrieb der Linien. Und zwar so, dass auch alle am Wettbewerb interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen die faire Chance haben, diese Leistung anzubieten und sich an den Ausschreibungen zu beteiligen.“

Der Vorteil eines solchen Modells wäre, dass erstmals wieder Direktverbindungen aus der Lenne-Region nach Frankfurt am Main möglich wären. Doch ist das die einzige Option für solche Züge? Die Frage, wieso der NWL es seit Jahrzehnten nicht schafft, gemeinsam mit dem Rhein-Main-Verkehrsverbund Zugleistungen auszuschreiben, die über Siegen hinaus gehen, wies NWL-Sprecher Ulrich Beele als unsachlich und polemisch zurück. Auch die Frage, wieso man erst nach der Vergabe das Angebot ändern möchte und nicht bereits im Vorfeld klare Planungen hatte, wollte Beele aufgrund derartiger Empfindungen nicht beantworten.

Siehe auch: Sie lernen es einfach nicht
Foto: Abellio GmbH

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