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Engagement?

09.06.16 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Tausend Leute will die ÖV-Branche also einstellen. Zumindest ist das das Ziel in Bezug auf die Arbeitsmarktintegration von Asylberechtigten. Wenn die Deutsche Bahn mit einer Viertelmillion Mitarbeitern im Moment 18 Personen in einem von Chance Plus abgeleiteten Programm hat, dann ist sicherlich noch Luft nach oben vorhanden. Wobei die Deutsche Bahn ja in der Tradition von Chance Plus relativ schnell dazu übergeht, die Leute nach erfolgreichem Durchlauf des Programms in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen.

Auch Abellio hat hier Engagement gezeigt und es sind bereits zwei Personen dort angestellt. Wenn man bedenkt, dass es dort konzernweit etwa 600 Angestellte gibt, ist die Quote doch schon deutlich größer, auch gemessen am branchenweiten Zielwert. Und siehe da: Es gibt tatsächlich asylberechtigte Personen, die ohne großartige Integrationskurse in die Arbeitswelt aufgenommen werden können. Andere Unternehmen, auch in der ÖV-Branche, werden vermutlich darauf spekulieren, zunächst möglichst viele kostenlose Praktikanten zu bekommen.

Aber Arbeit hat ihren Preis und der muss bezahlt werden. Wenn die ersten IHK-Funktionäre bereits verlangt haben, dass man bitte den Mindestlohn für ein paar Jahre aussetzen soll. Nein, soll man nicht, denn auch der ist Teil deutscher Leitkultur. Übrigens, Konstellationen wie „Mindestlohn für Asylberechtigte, aber Tariflohn für Deutsche“ sind auch nicht akzeptabel. Hier sind die zuständigen Behörden wirklich in der Pflicht, sicherzustellen, dass so etwas nicht passiert.

Und ja, auch bei vermeintlich ach so guten Stadtwerken ist die Gefahr groß, dass man solche Nummern versucht. Das gilt umso mehr, wenn der Fahrbetrieb längst in Tochtergesellschaften oder Subunternehmen ausgelagert ist. Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass jemand, der in Syrien oder im Irak vor dem Krieg als Busfahrer gearbeitet hat, das auch hier tut. Dann aber bitte zu regulären Bezügen.

Wenn man beim VDV schon auf Fälle wie in Dresden stolz ist, bei denen die Leute in einer Kombination aus Ehrenamt und unentgeltlicher Bezahlung Kundenservice übernehmen, dann ist auch klar, wieso Verbandspräsident Jürgen Fenske ein „unglaubliches Engagement“ spürt: Es dürfte vor allem die Freude darüber sein, dass man demnächst eine Menge Mitarbeiter bekommen wird, die nichts oder nur symbolische Beträge kosten werden. Und hier ist die Eisenbahnbranche einfach ein Stück weiter.

Wenn bei Abellio Menschen arbeiten, die in einem unbefristeten, sozialversicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis stehen und wenn das bei der Deutschen Bahn der Plan ist, dann kann man das auch den Stadtwerken zumuten. Und gemessen an 30.000 nachzubesetzenden Stellen in den nächsten vier Jahren sind tausend Asylberechtigte auch nicht so extrem viel. Die Personalnot trifft sie alle, aber gerade deshalb ist es wichtig, sich als seriöser Arbeitgeber zu präsentieren. Mit etwas weniger Outsourcing und weniger Sondertarifverträgen zur Absenkung der Löhne ließen sich Busfahrer vielleicht einfacher finden. Hier kann die Eisenbahn Vorbild für den kommunalen ÖPNV sein.

Siehe auch: VDV: Tausend Asylberechtigte für den ÖPNV

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