VDV: Tausend Asylberechtigte für den ÖPNV
09.06.16 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Anlässlich seiner Jahrestagung in Dresden hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sich mit der Arbeitsmarktintegration von Asylberechtigten befasst. In der Branche ist der Personalbedarf hoch und man möchte hier das ins Land gekommene Potential an zukünftigen Mitarbeitern nutzen. Wie die Deutsche Bahn bereits vor einiger Zeit veröffentlicht hat, gibt es an den Standorten München und Berlin derzeit insgesamt 18 Personen, die an einem Programm teilnehmen, das Chance Plus ähnelt: Nach einem Jahr im Praktikum haben sie die Möglichkeit, eine Lehrstelle zu bekommen oder aber eine berufliche Tätigkeit zu beginnen, für die man keine konkrete Qualifikation benötigt.
Der VDV hat als Ziel ausgegeben, tausend neue Stellen zu schaffen. Dabei kann es sich Praktikums- oder Ausbildungsplätze, Hospitationen „oder auch“, das nennt der VDV zuletzt, um Festanstellungen handeln. „Unsere Branche ist seit jeher Teil der Daseinsvorsorge in diesem Land und wir ermöglichen mit unseren Mobilitätsleistungen täglich hundertausendfach soziale Teilhabe von Menschen. Insofern ist es für uns selbstverständlich, dass wir auch einen Beitrag zur schnellen Integration der Flüchtlinge leisten. Ich spüre in der Branche an dieser Stelle ein unglaubliches Engagement.“, so Verbandspräsident Jürgen Fenske.
Bei 600 Mitgliedsunternehmen sind das etwas mehr als 1,5 Personen pro Firma. In Dresden zum Beispiel sind seit Anfang Mai neun Asylsuchende beim Begleitdienst Mobiler Service (MOSE) der Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) im Einsatz. Ihre tägliche Arbeitszeit beträgt fünf Stunden und die Maßnahme läuft zunächst bis zum Jahresende. Fenske: „Genau solche Beispiele zeigen, dass wir als Branche viele Möglichkeiten bieten können, um diesen Menschen den Start in ihrer neuen Heimat und in einen neuen Job zu erleichtern. Und nicht nur wir können Flüchtlingen neue Chancen bieten – sie sind auch eine Chance für uns.“ Ob die Maßnahme verlängert wird, muss man abwarten. Die Dresdener Verkehrsbetriebe scheinen jedenfalls nicht bereit zu sein, die Leute selbst einzustellen.
Das hat z.B. die Berliner Abellio GmbH schon vor einiger Zeit getan. Seit Ende April ist Firas Seifaldeen Angestellter des Unternehmens. Er stammt aus der vom syrischen Bürgerkrieg zerstörten Stadt Homs. Vor rund anderthalb Jahren kam der studierte Maschinenbau-Ingenieur nach Deutschland. Aufgrund seines Interesses an der Verkehrsbranche bewarb er sich nach einem Hinweis durch seine Arbeitsvermittlung im Jobcenter Berlin-Spandau bei Abellio. Als technischer Mitarbeiter arbeitet er nun in der Abellio-Betriebswerkstatt in Sangerhausen. Dort ist er sozialversicherungspflichtig angestellt und hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Milad Samavat ist 28 Jahre alt. Nach seiner Ausbildung zum Elektroniker im Iran arbeitete er einige Jahre in seiner Heimat als Elektronik/IT-Spezialist, bevor er vor drei Jahren ohne Deutschkenntnisse nach Deutschland kam. Nach einem Praktikum bei der DB Netz AG führte ihn sein Weg zu Abellio. Hier arbeitet er als IT-Fachmann in der Berliner Hauptverwaltung. Daneben absolviert er aktuell eine umfangreiche Weiterbildung im Fach „Deutsch als Fremdsprache“. Immer vormittags drückt er dazu die Schulbank. Nach dem Abschluss soll auch er eine Vollzeitstelle bekommen.
Insgesamt hat Abellio mit 600 Angestellten und zwei Asylberechtigten das Ziel des VDV bereits übererfüllt. Dabei spielt der ÖPNV ja für Asylbewerber bereits in den ersten Tagen nach der Ankunft eine Rolle. Fenske: „Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, stehen unsere Busse und Bahnen bereit, um sie in die Unterkünfte zu fahren. Und auch in den folgenden Wochen und Monaten nutzen diese Menschen hauptsächlich den öffentlichen Nahverkehr, um sich fortzubewegen. Das heißt, sie lernen uns bzw. unsere Leistungen und unser Engagement vom ersten Moment an kennen.“
Das könne erst recht ein Ansporn dafür sein, dass viele ihr berufliches Glück im ÖPNV suchen. Denn branchenweit müssen bis 2020 rund 30.000 Stellen neu oder nachbesetzt werden. Ein entsprechendes Gutachten wurde bereits, beauftragt durch den VDV, im Jahr 2014 vorgestellt. Fenske: „„Angesicht der jährlich steigenden Fahrgastzahlen und Gütertransportmengen und der damit steigenden Verkehrsleistung ist das ist eine gewaltige Aufgabe für unsere Branche, bei der die Flüchtlinge uns ein Stück weit helfen können, und wir ihnen.“ Was aus den Ankündigungen in den kommenden Jahren branchenweit wird, bleibt abzuwarten.
Siehe auch: Engagement?