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Die (unbegründete) Angst vor dem Waggonkartell

30.04.14 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn Siemens und Alstom, in welcher Form auch immer, zu einem gemeinsamen Akteur werden, weil man – als europäische Partner – die feindliche Übernahme durch den US-Konzern General Electric verhindern will, dann ist das sicherlich ein Erdrutsch im kontinentaleuropäischen Herstellerwesen. Die Konkurrenten, beides Unternehmen, die einem großen politischen Einfluss unterliegen und durchaus als staatsaffin zu bezeichnen sind, haben sich bislang gegenseitig beharkt und wurden dabei durch ihre jeweiligen Regierungen so gut es geht geschützt.

So war es die bundesdeutsche Verkehrspolitik, die dafür gesorgt hat, dass mit dem ICE 3 ein Zug aufs Gleis gesetzt wird, der ideal an die widrigen Bedingungen der Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt angepasst ist. Diese wiederum verfügt über zahlreiche Eigenschaften, die man bei Ertüchtigungen eigentlich abbauen möchte. Ziel war es, den Konkurrenten Alstom mit seinem TGV (bzw. Thalys) vorzuführen: Seht her, für Euch ist Feierabend in Köln! Nur der deutsche ICE 3 schafft die anspruchsvolle Westerwaldachterbahn. Denn über weite Strecken ist der deutsche ICE 3, sowohl der alte, wie auch der neue, als Prototyp gedacht, um der Welt zu zeigen: Schaut her, unser Exportschlager funktioniert bei uns.

Doch in guter alter Tradition halten die europäischen Akteure zusammen, wenn General Electric den Angriff auf Alstom plant, lässt man sich dann doch lieber von Siemens helfen. Wer aber jetzt vor einer Monopolsituation warnt, der hat die Marktentwicklung in den letzten Jahren entweder verschlafen oder nicht verstanden. Die Deutsche Bahn hat bereits Regionalzüge bei Skoda und Pesa bestellt, die beide relativ neu im deutschen Eisenbahnmarkt sind. Auch der spanische Hersteller Talgo zeigt Interesse am deutschen Markt und dadurch, dass Daimler-Benz die Firma Adtranz an den kanadischen Hersteller Bombardier verkauft hat, ist auch keine großartig andere Situation entstanden. Was allerdings einigen nicht schmecken dürfte ist die Tatsache, dass der deutsche Vorzeigekonzern von der deutschen Staatseisenbahn nicht bevorzugt behandelt wird, sondern dass man mit internationalen Akteuren zusammenarbeitet.

So wie die DB AG auf der ganzen Welt im Verkehrs- und Logistikgewerbe tätig ist und so wie diese sich in ihrem Heimatmarkt mit Konkurrenten aus anderen Ländern auseinandersetzen muss, so ist die Lage auch in der Waggonbauindustrie. Die Zeiten, in denen die Anschaffung neuer Züge ein Politikum war, um die Zahl der dortigen Arbeitsplätze zu steuern, sind vorbei. Die Eisenbahn funktioniert heute nach marktwirtschaftlichen Prinzipien und dazu gehört in einer globalisierten Welt eben auch, dass protektionistische Ansätze nicht vorhanden sind. Dadurch konnten in den vergangenen Jahren einige neue Hersteller in den Markt eintreten und mit Hitachi ist ja wieder ein internationaler Konzern auf dem Sprung auch nach Deutschland. Statt der international berüchtigten German Angst zu verfallen, sollte man sich darauf verlassen, dass die Marktwirtschaft funktioniert. Ein marktbeherrschendes Kartell wird es auch künftig nicht geben.

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