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Stuttgart 21: Kein Projektausstieg via Volksabstimmung

27.11.11 (Stuttgart) Autor:Stefan Hennigfeld

Was bereits langfristig im Vorfeld abzusehen war, ist eingetreten: Eine Mehrheit der Wähler in Baden-Württemberg ist gegen den Ausstieg aus Stuttgart 21. Die Wahlbeteiligung ist insgesamt sehr gering und die Leute, die doch hingehen, stimmen mehrheitlich für den Bahnhofsneubau. Wie es mit der Protestbewegung weitergeht, ist offen. Es droht eine neuerliche Zunahme ebenso wie eine Radikalisierung. Und kommt Stuttgart 21 jetzt?

Tatsache ist im Moment nur, dass die Volksabstimmung gescheitert ist. Die von der Polizei „angekündigten“ Krawalle im mittleren Schlossgarten bleiben offensichtlich aus, zumindest in der jetzigen Situation ist es eine größtenteils friedliche Bewegung. Wie sie sich weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.

Nichtsdestotrotz droht nach wie vor von anderer Seite Ungemach für den Kellerbahnhof: Die Stuttgarter Netz AG meldet Interesse daran an, den bestehenden Kopfbahnhof zu übernehmen. Bevor Gleisanlagen stillgelegt werden können, müssen sie anderen Eisenbahninfrastrukturunternehmen zum Kauf angeboten werden. DB Netz spricht allerdings nicht von einer Still- sondern einer Verlegung. Wenn das Eisenbahnbundesamt sich dieser Rechtsauffassung anschließt, ist die Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln bereits vorbereitet.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kündigte bereits an, dass es mehr Geld als die vertraglich vereinbarte Höchstsumme von 930,6 Millionen Euro vom Land nicht geben werde. Ob er dabei bleibt, wenn in Stuttgart eine halbfertige Investitionsruine steht und das Geld ausgeht, ist fraglich. Dass die vermeintliche Sollbruchstelle von 4,5 Milliarden Euro deutlich überschritten wird, gilt intern längst als unstrittig.

Inwiefern ein Zusammenhang mit dem Auslaufen zahlreicher Verkehrsdurchführungsverträge mit DB Regio im Dezember 2014 besteht, kann nicht gesagt werden. Für ein reguläres Ausschreibungsverfahren ist es zu spät, es wird jedoch in Fachkreisen allgemein davon ausgegangen, dass Hermann und sein Ministerium die anstehenden Neuvergaben schlicht vergessen haben.

Dennoch könnte das der entscheidende Hebel werden, die Deutsche Bahn zu einem Projektausstieg zu kriegen. Eine faktische Direktvergabe der Verkehrsleistungen – das ist nach dem Abellio-Urteil zwar eigentlich nicht mehr möglich, aber selbstverständlich lässt sich jede Vergabe so manipulieren, dass sie eine juristisch saubere Ausschreibung ist, die faktisch einer Direktvergabe an die Deutsche Bahn gleichkommt, siehe beispielsweise S-Bahn Dresden.

Die Luft ist also nicht raus – auch wenn die Mehrheit der Republik seit Monaten von diesem Bahnhofsstreit genervt ist. Die Stimmung in Stuttgart ist extrem angespannt, ein tiefer Riss geht durch die einst so geruhsame Stadt. Heiner Geißlers Schlichtungsvorschlag „Frieden in Stuttgart“ ist mehr als ein symbolischer Titel.

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