PwC-Studie zu Streckenreaktivierungen erschienen
12.09.22 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Wiederbelebung stillgelegter Schienenstrecken in Deutschland birgt riesiges Potenzial für die Entwicklung ländlicher Räume. Denn die Reaktivierung verwaister Streckenabschnitte hat positive Effekte auf unterschiedliche Bereiche – von Umwelt und Verkehr über die Siedlungsstruktur und Wirtschaft bis hin zur Gesellschaft. Die Hürden für eine Genehmigung und Umsetzung von Reaktivierungsprojekten sind jedoch sehr hoch. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Im Jahr 2019 war das Streckennetz in Deutschland um 16 Prozent kleiner als noch 1950. Allein seit dem Jahr 1994 wurden in Deutschland mehr als 5.000 Streckenkilometer stillgelegt und gleichzeitig nur etwas mehr als 1.000 Kilometer reaktiviert. „Aktuell scheint sich der Trend zur Stilllegung von Bahnstrecken jedoch umzukehren und immer mehr Abschnitte werden wieder aktiviert“, kommentiert Hansjörg Arnold, Partner im Bereich Infrastructure & Mobility bei PwC Deutschland.
Als Grund für diese Trendwende nennt der PwC-Experte unter anderem den öffentlichen Fokus auf den Klimaschutz und das Ziel, für gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Menschen in Deutschland zu sorgen. „Der Anschluss ländlicher Räume an die Schiene hat einen wichtigen Effekt auf die Lebensqualität der Menschen und die Standortqualität für Unternehmen. Die Verbindung zum Schienennetz wertet Regionen auf und spielt sowohl bei der Wohnsitzwahl von Bürgern als auch bei der Standortwahl von Unternehmen eine wichtige Rolle“, so die Einschätzung von Hansjörg Arnold.
„Gleichzeitig leistet der Schienenverkehr als umweltfreundlicher Verkehrsträger einen fundamentalen Beitrag, um die Klimaziele zu erreichen und die dafür erforderliche Mobilitätswende voranzutreiben“, ist er überzeugt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland durch die Reaktivierung von Streckenabschnitten eine Anbindung an den Schienenverkehr und somit eine bessere Verbindung in die nächstgelegenen regionalen Zentren erhalten könnten.
Die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken lohnt sich laut Analyse in vielfacher Hinsicht: Sie wirkt sich beispielsweise positiv auf die Bevölkerungsentwicklung aus und führt durch attraktive Stadt-Umland-Verbindungen zu Entlastungen auf angespannten Wohnungsmärkten. Über eine Wiederbelebung alter Bahnstrecken lässt sich zudem die Verkehrs- und Umweltbelastung reduzieren. Und auch die Regionen selbst profitieren durch höhere Steuereinnahmen, sei es durch touristische Erschließung oder neue Arbeitsplätze.
Maximilian Rohs, Mobility-Experte bei PwC Deutschland, fordert daher, die heute noch vorherrschende Betrachtungsweise, die bei der Entscheidung zur Reaktivierung von Bahnstrecken zum Einsatz kommt, zu erweitern: Hierbei werden die Kosten dem zu erwartenden Nutzen gegenübergestellt, jedoch nicht die gesamte Bandbreite positiver Effekte berücksichtigt.
Aus Sicht des PwC-Experten greift diese Herangehensweise zu kurz: „Bei der Entscheidung für oder gegen die Reaktivierung einer Strecke sollten im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse auf der Nutzen-Seite deutlich tiefergehende Betrachtungen erfolgen. So wäre eine detaillierte Untersuchung von verkehrlichen, wirtschaftlichen und raumstrukturellen Aspekten ebenso wünschenswert wie der stärkere Einbezug der positiven Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Die kürzlich erfolgte Weiterentwicklung der Standardisierten Bewertung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“
Dass die Reaktivierung von Bahnstrecken positive Effekte auf die Umwelt hat, belegt die Studie: Mit der Wiederbelebung von Strecken kann die weitere Zerschneidung der Landschaft verhindert werden. Die Auswirkungen für angrenzende Biotope und Tierlebensräume werden so minimiert. Zudem werden für die Reaktivierung von Gleisen weniger Flächen verbraucht als für den Straßen- oder Schienenneubau.
„Die Reaktivierung von Schienenstrecken in Deutschland lohnt sich an vielen Stellen, denn sie wirkt sich positiv auf die Entwicklung ländlicher Räume aus. Sie ist zudem ein wichtiges Element auf dem Weg zur angestrebten Mobilitätswende in Deutschland und für einen erfolgreichen Klimaschutz“, so das Fazit von Maximilian Rohs. Der Experte fordert jedoch abschließend auch: „Um Reaktivierungsprojekte erfolgreich umzusetzen, müssen die Planungsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden.“
Siehe auch: Erfolge realisieren