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Schienenkartell: DB AG geht in Berufung

18.08.22 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Schadensersatzklage der DB Netz AG und anderer DB-Unternehmen gegen Moravia Steel, einem tschechischen Stahlhersteller, und anderer Unternehmen wegen Verjährung abgewiesen. Das Gericht geht davon aus, dass Mitarbeiter der DB AG das Schienenkartell bereits im Jahr 2007, d.h. fünf Jahre vor dem Bundeskartellamt hätten entdecken können und es nur wegen grober Fahrlässigkeit nicht erkannt haben.

Diesen Vorwurf weist die DB AG entschieden zurück. Selbst die kartellbeteiligten Unternehmen haben die Verstöße ihrer Mitarbeiter erst 2011 erkannt – und auch das nur, weil ein Kronzeuge aus dem Kreis der Kartellbeteiligten das Bundeskartellamt und die Strafverfolgungsbehörden auf das Kartell aufmerksam machte. Mehrere Schienenlieferanten hatten zwischen 2001 und 2010/11 rechtswidrig Lieferquoten und Preise für Lieferungen von Schienen an die DB abgesprochen.

Das Bundeskartellamt verhängte 2012 und 2013 gegen Moravia Steel und andere Kartellanten Bußgelder von insgesamt 134,5 Millionen Euro. Die DB hat im Dezember 2012 eine Schadensersatzklage über mehrere hundert Millionen Euro vor dem Landgericht Frankfurt am Main erhoben. Mit Erfolg konnte die DB AG mit den Stahlherstellern ThyssenKrupp, Voestalpine und Stahlberg Roensch frühzeitig Vergleiche über hohe Schadensersatzzahlungen abschließen. Der größte Anteil davon ist in den Bundeshaushalt geflossen.

Bei der DB AG heißt es: „Die Unternehmen haben das Kartell mit großem Aufwand organisiert, durchgeführt, mit Methoden der organisierten Kriminalität geheim gehalten und sich dabei bereichert. Das haben alle anderen Kartellanten erkannt. Einzig Moravia Steel entzieht sich hier weiter seiner Verantwortung.“

Von den ursprünglich geltend gemachten Schadensersatzansprüchen der DB AG in Höhe von 376 Millionen Euro zzgl. Zinsen sind noch Ansprüche gegen die Lieferantin Moravia in Höhe von 133 Millionen Euro zzgl. Zinsen offen. Das Urteil vom 3. August 2022 steht im eklatanten Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshof. Beispielsweise wird die BGH-Rechtsprechung, nach der Schäden aus einzelnen Beschaffungsvorgängen verjährungsrechtlich als eigenständige Ansprüche zu beurteilen sind, nicht angewendet; danach wären zumindest Ansprüche ab dem Jahr 2008 nicht verjährt.

Sollte das Urteil Bestand haben, würden Steuerzahler über die jeweiligen Zuwendungsgeber belastet und kartellbeteiligte Unternehmen begünstigt werden. Denn das erstinstanzliche Urteil verkehrt die Rollen von Tätern und Opfern. Die DB AG macht nicht nur eigene Schadensersatzansprüche geltend, sondern verlangt auch Ersatz des Schadens der Zuwendungsgeber. Die Schienenbeschaffungen wurden überwiegend aus Mitteln des Bundes und anderer Zuwendungsgeber finanziert. Nun wird in der nächsten Instanz zu klären sein, ob sich die Rechtsauffassung der DB AG durchsetzen kann.

Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

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