NRW: Branche fordert auskömmliche Finanzmittel
15.08.22 (Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Gut zwei Wochen vor dem Ende des Neun-Euro-Tickets haben sich nordrhein-westfälische Branchenvertreter gemeinsam zu Wort gemeldet und auf die finanzielle Schieflage aufmerksam gemacht. Durch die massiven Einnahmeausfälle wegen ausgebliebener Fahrgäste ist ein deutlich höherer Kofinanzierungsbedarf durch die öffentliche Hand notwendig geworden. Die aktuelle Situation haben der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS), der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), der Aachener Verkehrsverbund (AVV) und die Westfalentarif GmbH (Westfalentarif) zum Anlass genommen, gemeinsam mit Vertretern von Städten, Kreisen und Verkehrsunternehmen an die verantwortlichen Politiker zu appellieren.
Der öffentliche Verkehr leidet nach wie vor unter der Pandemie. Die mit Corona einhergehenden Beschränkungen haben den Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in den vergangenen Jahren finanziell zugesetzt. Hinzu kommt die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der weltpolitischen Ereignisse, die die gesamte Branche vor zusätzlich zu bewältigende Herausforderungen stellt. auf die prekäre Lage in der Nahverkehrsbranche aufmerksam zu machen und einen Appell an Bund und Land gerichtet, mehr finanzielle Mittel für den Erhalt und den Ausbau des Verkehrsangebotes zu investieren.
Als unverzichtbares Rückgrat für die Mobilität in Nordrhein-Westfalen hat der ÖPNV in der Krise Bestand und leistet seinen gesellschaftlichen Beitrag. Um die Mobilität der Bürger zu sichern, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind, und trotz geringer Auslastung haben die Verkehrsunternehmen ihr Angebot während der Corona-Krise aufrechterhalten. Dass der ÖPNV trotz aller Krise großen Zuspruch erhält, zeigte auch die gemeinsame Aktion der nordrhein-westfälischen Verkehrsverbünde in den Sommerferien der letzten beiden Jahre.
Mit den Lockerungen der Coronabeschränkungen hat sich das gesellschaftliche Leben wieder normalisiert. Damit nehmen die Fahrtanlässe wieder zu und lassen, ebenso wie das Neun-Euro-Ticket, die Fahrgastzahlen wieder ansteigen. Dies allerdings immer noch deutlich unter dem Niveau von vor Corona. Neben dem Ziel, Bürger mit einem deutlich verbilligten ÖPNV-Ticket unmittelbar zu entlasten und Anreize zum Energiesparen zu setzen, sieht die ÖPNV-Branche die Chance zur Rückgewinnung von Fahrgästen und zur Neukundenansprache.
Damit der Fahrgasteffekt des Neun-Euro-Tickets keine Momentaufnahme bleibt, bedarf es einer umfangreichen und langfristigen Finanzierung aus den Haushalten des Bundes und der Länder sowie passender Rahmenbedingungen. Es zeichnet sich ab, dass die Einnahmen, die die Verkehrsunternehmen benötigen, um ihre Aufwandssteigerungen zu decken, nicht mehr ausreichen. Mit den durch die von Bund und Land zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln im Rahmen des Corona-Rettungsschirms sind die Einnahmeausfälle bis Ende des Jahres aufgefangen worden.
Und auch die Fahrgeldausfälle aus dem Neun-Euro-Ticket gleicht der Bund vollständig aus. Zudem gewährt das Land NRW auch einen pauschalen Ausgleich an die Verkehrsunternehmen für die gestiegenen Energiekosten. Neben den allgemeinen Kostensteigerungen bei Energie und Personal sind es die Kosten für eine lückenlose digitale Fahrgastinformation sowie Investitionen in die moderne und barrierefreie Infrastruktur und in Fahrzeuge mit sauberen, emissionsarmen Antriebstechnologien, die es zukünftig zu kompensieren gilt.
Wenn Ende August die Aktion zum Neun-Euro-Ticket ausläuft, werden die Verbünde und Tarifgemeinschaften auf das alte Preisniveau zurückgehen. Die Branche rechnet damit, dass die Corona-Auswirkungen auch im kommenden Jahr noch nachwirken und sie auch die weiter steigenden Energiekosten und die Inflation schultern muss. Die Nahverkehrsakteure in NRW gehen für das kommende Jahr von einem kurzfristigen Finanzierungsbedarf von circa 500 bis 600 Millionen Euro aus.
Dies zeigt sehr deutlich, wie groß die Misere der Branche für die nächsten Jahre ist. Nicht nur in allen Teilen Nordrhein-Westfalens, sondern auch bundesweit. Unter diesen Voraussetzungen trotzdem eine Verkehrswende zu ermöglichen, ist eine große Herausforderung, aber nötig. Die Finanzierung des ÖPNV durch die Kommunen ist weitestgehend ausgereizt und lässt nur wenig Raum für zusätzliche Angebote, die explodierenden Aufwandssteigerungen setzen sie massiv unter Druck. Dies zu schultern ist ohne Hilfe von Bund und Land nicht möglich.