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Die auskömmliche Finanzierung sichern

15.08.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Bis Ende 2019 war man in der Eisenbahn- und ÖPNV-Branche wahnsinnig stolz drauf, dass der Kostendeckungsgrad über Jahre hinweg immer weiter gestiegen ist und sich dann auf hohem Niveau eingependelt hat. Die Fahrgelderträge waren eine wichtige Finanzierungssäule für das Gesamtsystem. Während die alte Behördenbahn am Ende ihrer Existenz mehr Personalkosten als Umsatz hatte, hat man jetzt dafür gesorgt, dass die Fahrgäste zwar gut zur Kasse gebeten werden, aber die Markteinnahmen sind wichtig.

Jetzt kommt Corona und die Welt ändert sich: Viele Arbeitnehmer fahren nicht mehr jeden Tag, sondern nur noch zweimal im Monat ins Büro, wenn überhaupt. Die bisherige Monatskarte ist nicht mehr notwendig. In einem ersten Schritt haben die Verbünde ja bereist reagiert und Angebote für Gelegenheitsfahrer auf den Markt geworfen. Denn nicht jeder, der seine Zeitkarte gekündigt hat, ist plötzlich unzufrieden mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern hat eine sich ändernde Arbeitsrealität.

Das ist auch gut so, denn es gibt eine ganze Reihe an Berufen, da ist es schlichtweg nicht nötig, dass jemand jeden Tag mit dem Auto oder dem ÖPNV in ein Büro fährt, um dort an einem Computer einer Arbeit nachzugehen, die sich auch zuhause machen lässt. Man muss auch nicht mit dem ICE oder dem Inlandsflug mehrfach die Woche mehrere hundert Kilometer zu Besprechungen reisen, wenn man diese wunderbar per Telefon oder Kommunikations-Apps erledigen kann.

Corona hin oder her, aber so wird es bleiben und man muss sich entsprechend einrichten. Gleichzeitig belasten immer höhere Verbraucherpreise die Bürger und Arbeitnehmer und viele werden spätestens jetzt, wenn sie nicht mehr zwingend drauf angewiesen sind, ihre Zeitkarte abmelden. Das Neun-Euro-Ticket war eine kurzzeitige Reaktion darauf und hat Bussen und Bahnen eine Aufmerksamkeit gebracht, die man sonst nur von GDL-Streiks kennt.

Jetzt so zu tun, also sei nichts gewesen, wäre falsch. Wir brauchen vernünftige Nachfolgeregelungen. Ein 365-Euro-Jahresticket etwa wird schon lange diskutiert. Auch andere Vorschläge, wie 29 Euro für das eigene Bundesland und 59 Euro für eine bundesweite Gültigkeit liegen auf dem Tisch. Aber solche Angebote müssen, wenn man eine Verkehrswende ernsthaft durchziehen will, von der öffentlichen Hand kofinanziert werden.

Das kann weder die Branche allein schultern noch kann man die Kosten für die von Bund und Ländern ausgerufene Verkehrswende einseitig bei den Kommunen abladen. Hier sind also sowohl die verschiedenen Landesregierungen als auch die Ampelkoalition im Bund gefordert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Zeitnah sollte etwas passieren, damit der Effekt nicht einfach so verpufft.

Denn wenn wir auch in Zukunft das Leistungsangebot mindestens konstant halten wollen, dann brauchen wir dafür auch eine auskömmliche Finanzierung, die gerade nicht mehr durch Markteinnahmen gedeckt werden kann – sei es, weil weniger Leute fahren oder weil die Fahrpreise sinken. Aber genau das wollen wir doch: Eine starke Schiene!

Siehe auch: NRW: Branche fordert auskömmliche Finanzmittel
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