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Qualität, Wettbewerb und auskömmliche Verträge

19.08.21 (go.Rheinland, Kommentar, Nordrhein-Westfalen, NWL, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Zuerst: Die Ausbildung von Nachwuchskräften und die Qualifikation der Belegschaft ist die Sache eines jeden Unternehmens und das auch ganz ohne Absprache mit den Auftraggebern. Wenn man es aber mit einem margenschwachen Markt zu tun hat wie der Eisenbahnbranche, dann kann man solche Binsenweisheiten nicht einfach pauschal sagen, sondern dann gibt es alle möglichen Faktoren, die zu beachten sind.

Man stelle sich einmal vor, all die Unternehmen, die jetzt mit Kostensteigerungen zu kämpfen haben, hätten vor acht, zehn oder zwölf Jahren die Ausbildungskosten einkalkuliert. Diese hätten die Aufträge niemals gekriegt. Stattdessen würden jetzt andere Auftragnehmer vor der Tür stehen, die mit den gleichen Problemen zu tun hätten.

Es waren die Aufgabenträger selbst, die seinerzeit durchaus zufrieden waren, dass die Ausbildungskosten sehr gering kalkuliert worden sind. Auch das war jedoch keine böse Absicht, sondern hatte mit der nicht auskömmlichen Finanzierung des Eisenbahnverkehrs in jener Zeit insgesamt zu tun. Zumal auch die Arbeitsmarktpolitik eine andere war: In den Anfangsjahren der Hartzreformen haben die Arbeitsämter im großen Stil Bildungsgutscheine für Arbeitslose ausgegeben. In den Folgejahren gab es aber in jeder Legislaturperiode ein bis zwei Sparpakete und die Arbeitslosenförderung ist jedes mal dabei gewesen.

Die bessere Konjunktur hat zudem dafür gesorgt, dass geeignete Bewerber immer schwieriger zu bekommen waren – erst recht, aus einer Situation der Arbeitslosigkeit heraus. Hier hat sich also die Kostenstruktur branchenweit gewandelt und hier müssen die Aufgabenträger nachsteuern, um ruinösen Wettbewerb zu verhindern. Hier bedarf es in den kommenden Wochen einer rechtssicheren, aber auch verbindlichen und für alle Seiten gangbaren Einigung, damit die Verkehrsverträge aus den roten wieder in die schwarzen Zahlen rücken.

Für den Fall, dass manche Verträge so tief in den roten Zahlen stecken, dass Änderungsverträge wahrscheinlich nicht den gewünschten Erfolg bringen, muss man auch über eine vorzeitige Auflösung nachdenken. Das könnte etwa in bestimmten S-Bahnnetzen der Fall sein. Dass Keolis diesen Auftrag vor knapp zwei Jahren verloren hat, könnte sich im Nachhinein aus Glücksfall erweisen.

Dem Vernehmen nach fährt auch DB Regio als neuer und alter Betreiber hier tief in die roten Zahlen. Kaum zu glauben, wenn man sich überlegt, was der Konzern früher für ein Geld verdient hat mit vor dem Abellio-Urteil direkt vergebenen S-Bahnaufträgen. In jedem Fall braucht man auskömmliche Verkehrsverträge.

Wenn ein solcher noch eine Restlaufzeit von zehn Jahren oder mehr hat ohne dass es eine Perspektive gibt, diese in die Gewinnzone zu bringen, dann bleibt nur die vorzeitige Auflösung im Interesse aller. Es wird dann teurer, aber aus gutem Grund ist ruinöser Wettbewerb von niemandem gewollt. Statt dessen sollen die Erfolge und Qualitätssteigerungen des Wettbewerbs auch in Zukunft gewahrt werden, damit die Leute auf die Schiene umsteigen.

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