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NRW: Debatte um Vertragsanpassungen wird konkret

19.08.21 (go.Rheinland, Nordrhein-Westfalen, NWL, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

In der kommenden Woche werden Anpassungen laufender Verkehrsverträge in den Gremien der drei nordrhein-westfälischen Aufgabenträger diskutiert: Am Montag (23. August) beim VRR, am Dienstag (24. August) beim NVR und beim NWL. Hier sollen die Geschäftsführungen mandatiert werden, konkrete Ausgestaltungen über Änderungsverträge zu verhandeln – und das in einem überschaubaren Zeitraum. Im Vorfeld gab es Zeitungsberichte, wonach Keolis, die mit der Marke Eurobahn unterwegs sind, einen Austritt aus dem deutschen Eisenbahnmarkt erwägen würde.

Dies ist allerdings kein kurzfristiges Thema, wie Nicole Pizzuti von Keolis dem Eisenbahnjournal Zughalt.de auf Nachfrage mitgeteilt hat. „Wir haben die soziale und wirtschaftliche Verantwortung für unsere Mitarbeiter und werden die laufenden Verkehrsverträge erfüllen.“ Auf der anderen Seite aber stehen in den kommenden Jahren auch einige Neuvergaben an, u.a. das Niederrhein-Münsterland-Netz mit Batterietriebzügen oder die Neuvergabe des Maas-Wupper-Express zwischen Hamm und Venlo mitsamt der Verlängerung bis weit in die Niederlande hinein. Hier sieht die Welt anders aus. Pizzuti: „Solange bei den Bestandsverträgen keine Entscheidung gefallen ist, können wir uns nicht zu zukünftigen Vergaben äußern.“

Allerdings ist man beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr optimistisch, dass es auch in Zukunft ausreichend Bieter gibt. Geschäftsführer Ronald Lünser: „Wir gehen davon aus, auch weiterhin ausreichend Bieter bei unseren Ausschreibungsverfahren zu haben. Der Wettbewerb ist dauerhaft möglich.“ Dabei ist Keolis ein wichtiger Akteur auf der Schiene zwischen Rhein und Weser, der noch einige langlaufende Verträge hat. Inwieweit es hier Anpassungen geben wird, entscheidet sich in den kommenden Wochen.

Die Ursachen dafür sind ebenso vielfältig wie seit längerem bekannt. Die Bauaktivitäten sind um ein vielfaches gestiegen und damit gehen Kosten für Pönalisierungen einher, die so vor einigen Jahren nicht kalkulierbaren waren. Aber auch die Personalkosten sind gestiegen, ebenso wie der Aufwand für Akquise und Ausbildung.

Das hat auch damit zu tun, dass viele Aufgabenträger auf eine Ausbildungsquote verzichtet haben, weil sie in der Folge des Koch-Steinbrück-Papiers und der Senkung der Regionalisierungsgelder selbst in finanzielle Schieflage geraten waren. Das hat dazu geführt, dass viele Betreiber nur sehr wenig oder gar nicht ausgebildet haben, oftmals nur bei Vorlage einer Fremdfinanzierung. Das ist jetzt anders.

„Erstmals bei der Neuvergabe des Bündels S1 und S4 der S-Bahn Rhein-Ruhr wurden verbindliche Ausbildungsquoten sowohl bei der Berufsausbildung von Schulabgängern wie auch bei der Ausbildung von Quereinsteigern vorgeschrieben“, so Ronald Lünser. Das wird bei Keolis inzwischen auch im großen Stil getan. „Aktuell sind rund achtzig Prozent der Ausbildungen im Unternehmen selbstfinanziert“, erklärt Nicole Pizzuti.

Zwar gibt es noch immer die Möglichkeit einer Fremdfinanzierung, etwa eines Bildungsgutscheins durch das Arbeitsamt, einer Finanzierung durch das Berufsförderungswerk der Bundeswehr oder anderer externer Kostenträger, dies ist aber nicht mehr die Regel. Außerdem hat man im Jahr 2018 erstmals mit der klassischen Berufsausbildung von Eisenbahnern im Betriebsdienst angefangen, die jetzt seit einigen Wochen als ausgebildete Lokomotivführer auf der Schiene unterwegs sind.

Die Zeiten, dass im Falle eines Betreiberwechsels die Mitarbeiter vom alten Unternehmen, was in der Regel DB Regio war, zum neuen gegangen sind, sind seit einigen Jahren endgültig Vergangenheit: Auch der ehemalige Monopolist hat einen hohen Personalbedarf und versucht seine eigene Belegschaft so gut es geht zu halten. Für die Wettbewerbsbahnen heißt das, dass man sich anderweitig nach Personal umsehen muss.

„Wir freuen uns über motivierte Quereinsteiger aller Art“, so Nicole Pizzuti. „Das kann der 25jährige Studienabbrecher ebenso sein wie der 55jährige Handwerker, dessen Arbeitgeber nicht mehr existiert oder der sich auf andere Art und Weise verändern möchte.“

Gerade angesichts des steigenden Rentenalters von 67 Jahren hat man in der Eisenbahnbranche eine Regelung mit bis zu 42 Urlaubstagen getroffen, die dabei helfen soll, die Gesundheit der Mitarbeiter soweit zu schützen, dass sie ihren Beruf auch bis zum Ende des Arbeitslebens ausüben können. Denn eins steht fest: Ganz gleich welche Akteure in den kommenden Jahren auf der Schiene fahren, der Beruf ist krisenfest und zukunftssicher.

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