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Mit einem guten Angebot mehr Nachfrage schaffen

06.05.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Vielfach hört man ja Argumente, dass zusätzliche Eisenbahnleistungen nur dafür sorgen würden, dass sich die vorhandenen Fahrgäste anders verteilen. Wo sollen die neuen Kunden denn auch herkommen? Umgekehrt spricht man gerne von „Fahrgastverdichtung“, wenn man Zugleistungen streicht und davon ausgeht, dass die konstant bleibende Zahl an Fahrgästen sich dann besser auf wenige Züge konzentriert und man so Geld sparen kann.

Jahrelang ging man im SPFV genau davon aus und jedes Frühjahr wurde bekanntgegeben, welche Leistungen leider unwirtschaftlich geworden sind und ab Dezember eingestellt werden müssen. Im Regionalverkehr wird man auch unter Eisenbahnfreunden immer Leute finden, die Abbestellungen befürworten und sagen, dass man das Angebot nachfragegerecht reduzieren würde.

Dabei zeigen Österreich und auch erfolgreiche Projekte in Deutschland, dass gerade das nicht funktioniert. Wo das Angebot gut ist, wo im engen Takt in sauberen Zügen verlässlich gefahren wird, da kommen die Fahrgäste. Das lassen die Menschen ihre Autos freiwillig stehen und steigen um, weil sie aus erster Hand mitkriegen, dass alte Klischees zum Thema Eisenbahn vorne und hinten überlebt sind.

Die Eisenbahn ist ein topmoderner Verkehrsträger mit viel Potential, das es zu nutzen gilt. Und wenn in Österreich und in der Schweiz viel Bahn gefahren wird, dann liegt das sicher auch daran, dass die Länder relativ klein sind und dass man lange Autofahrten zumindest auf inländischen Relationen nicht hat. Das ist sicher richtig, aber umgekehrt hat es auch da in den letzten Jahren erhebliche Steigerungen gegeben, die eben nicht von alleine passiert sind, sondern die das Produkt erfolgreicher Eisenbahnpolitik in den beiden Alpenstaaten darstellen.

Und wie erfolgreich man das in Österreich macht, zeigen beispielsweise auch die Wiener Linien. Dort hat man schon über zehn Jahren Nachtnetze eingeführt und ein 365-Euro-Ticket auf den Markt gebracht. In der Folge haben Busse und Bahnen dort einen höheren Anteil am Modal Split als der Autoverkehr. Modal Split, das ist genau die Größe, von der man in Deutschland nicht so gerne spricht.

Der VDV spricht gerne über absolute Zahlen und kann so verdecken, dass Deutschland es allenfalls schafft, das gestiegene Gesamtverkehrsaufkommen auf der Schiene mit abzubilden. Dabei muss man sich sehr wohl ansehen, wie der eigene Marktanteil ist, gerade wenn die Schiene stärker als der Markt wachsen soll, also effektiv Verkehrsverlagerungen von der Straße auf die Schiene gewollt werden. Hier kann Deutschland etwas lernen, wenn man den Blick ins benachbarte Ausland wagt.

Wieso gibt es ein 365-Euro-Ticket nicht auch in Köln, Berlin, Hamburg oder München? Warum schafft man es in mit Wien vergleichbaren Metropolen nicht, den Modal Split ebenfalls so massiv zugunsten öffentlicher Verkehrsmittel zu verändern? Wir reden doch alle von einer Verkehrswende. Deshalb sollte man sich guten Ideen öffnen. Denn die Visionäre halten die Welt in Atem, nicht die Erbsenzähler.

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