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Alte Leute sind längst kein altes Eisen

23.05.19 (Hessen, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Erinnern Sie sich an die klassischen „drei A“? Die Armen, Alten und Auszubildenden waren es, die in der Regel keine Wahl hatten und deshalb auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen waren. Da kann man dann zum Zwecke der Fahrgastverdichtung auch ohne Probleme mal vom Halb- auf einen Stundentakt gehen, denn die Menschen, die drin sind, haben ja so oder so keine Alternative. Der Ausdruck „drei A“ hat sich nicht in unsere Gegenwart retten können. Der moderne Anglizismus der „captive rider“ meint aber letztlich nichts anderes.

Nur wenn man sich einmal die Senioren von heute ansieht, dann ist das längst nicht mehr die Oma, die auf den Bus angewiesen ist, sondern nicht selten haben Menschen über siebzig ein Auto und einen Führerschein. Und die Smartphone-Dicht bei Senioren der Gegenwart steigt und steigt. Die Menschen, die zwischen 1950 und 1959 geboren worden sind und in der kommenden Dekade siebzig Jahre alt werden, die haben fast alle ihr Smartphone – es mögen keine sogenannten „digital natives“ sein (gibt es eigentlich ein deutsches Wort dafür?), aber sie sind vertraut mit moderner Technik.

Diese Altersgruppe kann in der Regel die ÖPNV-App bedienen, mit dem Smartphone Zugang zu Carsharing-Autos erlangen oder auch zu Leih-Fahrrädern ob mit oder ohne Elektromotor. Die Eisenbahnbranche steht als vor großen Herausforderungen, genau diese sich ändernde Situation zu meistern. Immer mehr Menschen werden sehr alt, bleiben aber in diesem hohen Alter noch mobil. Gleichzeitig nehmen diese Fahrgäste oftmals nicht mehr am klassischen Berufsverkehr teil, weil sie gar nicht mehr oder nur noch nebenbei berufstätig sind.

Entsprechend gilt das verbilligte Hessenticket für Senioren also erst nach der Frühspitze. Es gibt ja auch heute in vielen Verkehrsverbünden Abotickets, die erst ab neun Uhr gelten, gerade weil sie verbilligt sind und die Zeitkarteninhaber somit während der Frühspitze raus sind. Auch diese richten sich vielfach an Rentner, die nicht unbedingt in aller Herrgottsfrühe in Bussen und Bahnen unterwegs sein müssen.

Gleichzeitig aber macht man so selbst Menschen, die ihr ganzes Berufsleben lang mit dem Auto zur Arbeit gefahren sind, den Umstieg auf Busse und Bahnen schmackhaft. Man muss ja nicht mehr zwingend fahren. Wenn es also schneit, dann lässt man das Auto stehen und nimmt öffentliche Verkehrsmittel. Alle reden vom Wetter, wir nicht. Da war mal was, oder?

Gleichzeitig sorgen multimodale Angebote gerade bei älteren Menschen dafür, dass der mögliche Zugriff auf ein Carsharing-Auto, wenn es gebraucht wird, den Schritt erleichtert, das eigene Auto abzuschaffen. Denn so ein Fahrzeug ist gerade im urbanen Raum fast immer ein Stehzeug.

Das mag jetzt nicht im ländlichen Raum von Mittel- und Nordhessen gelten. Wohl aber kann man das über die Metropolregion Rhein-Main oder die Großstadtgebiete Kassel und Gießen sagen. Wichtig ist, dass man hier einen entscheidenden Schritt auf heutige und künftige Senioren zumacht. Denn die gehören noch lange nicht zum alten Eisen.

Siehe auch: Das Seniorenticket Hessen soll 2020 starten

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