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UK: Pendler-Proteste gehen weiter

15.09.16 (Großbritannien & Irland) Autor:Max Yang

Bereits seit mehreren Monaten wird das von Govia, einem Tochterunternehmen von Go-Ahead und Keolis betriebene SPNV-Netz Southern von Verspätungen und Zugausfällen geplagt. Ursachen sind unter anderem ein Mangel an Triebfahrzeugführern sowie ein Konflikt des Verkehrsunternehmens mit den Gewerkschaften im Hinblick auf die durch das Verkehrsministerium gebilligte Ersetzung von Kundenbetreuern mit betrieblichen Aufgaben durch reine Fahrgeldsicherer. In Lewes, der Kreisstadt von East Sussex, fand am Dienstagabend ein „Pyjama-Protest“ statt.

Unter dem Motto „Goodnight Govia“ demonstrierten rund 50 Erwachsene und Kinder in Nachthemden am örtlichen Bahnhof gegen anhaltende Schlechtleistungen. Die verlängerten Reisezeiten beeinträchtigten das Familienleben massiv, auch seien einige Bürger durch die Verkehrssituation arbeitslos geworden. Emily Clarke, Mutter von zwei Kindern und Mitorganisatorin des Flashmobs, erklärte: „Es gibt kaum jemanden in der Stadt, der nicht irgendwie durch die Southern-Zugfahrten negativ betroffen wurde. Heute möchten wir zu Govias katastrophalem Management des Teilnetzes ‚Gute Nacht‘ und ‚Auf Wiedersehen‘ sagen.“

Darüber hinaus fordere man eine bessere Behandlung von Fahrgästen, ein Ende der überfüllten Wagen und die Wiedereinführung des Halbstundentaktes zwischen Seaford und Newhaven. Die Regierung habe die Möglichkeit, den Verkehrsvertrag außerordentlich zu kündigen, so Clarke weiter. Man verstehe nicht, warum diese Maßnahme nicht ergriffen werde. Katie Kennedy, Mutter aus Lewes und Teilnehmerin am Flashmob, erklärte: „Mein Mann arbeitet in London und kommt wegen Zugverspätungen oder Ausfällen häufig so spät nach Hause, dass er unser 6-monatiges Kind nicht mehr wach sieht. Die Fahrgastrechtezahlungen können uns nicht für die Stunden und Tage entschädigen, die wir als Familie verlieren, es ist Zeit, die wir nie zurückbekommen werden. Wie für viele andere auch ist für uns das Pendeln keine Lebensstilentscheidung, sondern ein Bedürfnis und wir fühlen uns absolut machtlos. Die Regierung muss eine Wiederverstaatlichung der Eisenbahn einleiten.“

In der Tat wird öfter eine Wiederverstaatlichung des Bahnbetriebs gefordert. Jedoch sind aus deutscher Sicht Parallelen zur S-Bahn-Krise in Berlin in den Jahren 2009 bis 2012 zu erkennen, wo mit der DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH gerade ein vorgeblich alternativloses, im Staatseigentum stehendes Unternehmen eine Pannenserie selbst verschuldet hat.

Die kürzlich angelaufene Crowdfunding-Aktion der Gruppe „Association of British Commuters“, die eine gerichtliche Kontrolle des Ministerialhandels durchsetzen möchte (Zughalt berichtete), hat mittlerweile ein Anwaltsbudget von über 15.000 Pfund Sterling erreicht, sammelt jedoch bis zum nächsten Zwischenziel von 25.000 britischen Pfund weiter. Wie der Konflikt letztlich ausgehen wird, ist noch nicht abzusehen. Es bleibt weiterhin spannend auf und vor allem neben den britischen Schienen.

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