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Berlin, das peinliche Bundeshauptdorf

28.01.13 (Berlin, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Man fragt sich schon ein Stück weit, was das eigentlich für Verhältnisse sind: Da hat man einen S-Bahnbetreiber, der mittlerweile im vierten Jahr nicht mehr in der Lage ist, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Was da sonst noch so alles passiert ist, hätte bei jeder Wettbewerbsbahn wohl zu einer Schließung geführt. Würde jemand anders als die Deutsche Bahn AG so eine Vorstellung abliefern, wie es die S-Bahn Berlin GmbH seit Jahren tut, die eisenbahnpolitische Großwetterlage würde sich grundlegend verändern und wir hätten innerhalb eines Jahres die Bundesbahn zurück.

In Berlin jedoch sieht man das alles nicht so eng und während des letzten großen Winterchaos, als mal wieder ganze Stadtteile tagelang abgeschnitten waren, hatte der Regierende Bürgermeister gerade keine Zeit, schließlich war Modewoche. Überhaupt ist es für jemanden, der Dienstwagen und Fahrer hat, durchaus schwierig, die Sorgen und Nöten der Menschen nachzuvollziehen, die auf eine verlässliche S-Bahn angewiesen sind, um pünktlich zur Arbeit und Ausbildung, Schule und Hochschule zu kommen. Doch man beließ es bei ein paar starken Worten und hat versucht, vor den Wahlen möglichst keine Ausschreibung zu starten.

Dass der Berliner Blätterwald die Begriffe Ausschreibung und Privatisierung bis heute synonym zueinander verwendet, zeigt dass man in der früheren DDR-Hauptstadt nach wie vor ein sehr merkwürdiges Verhältnis zum System Marktwirtschaft hat. „War nicht alles schlecht beim Erich“ – so wie es in den Bundesrepublik der 50er, 60er und 70er Jahre eine Menge Altnazis gab, so gibt es gerade im Osten der Republik, zu dem Berlin auch als nicht mehr geteilte Stadt gehört, eine Menge Altkommunisten, die nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, was hier eigentlich los ist und aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen die DB AG noch immer mit Gemeinnützigkeit gleichsetzen.

Ja, es stimmt: Dreitausend Mitarbeiter müssen bei einer Ausschreibung, die von jemand anderem als der DB AG gewonnen wird, vielleicht den Arbeitgeber wechseln. Dafür gibt es sowohl einen Beschäftigungssicherungstarifvertrag im DB-Konzern als auch Personalwechseltarifverträge mit verschiedenen Unternehmen. Doch davon unabhängig sind die Interessen von drei Millionen Berlinern an einer Rückkehr zum vom VBB bestellten Normalbetrieb wichtiger als die Interessen von dreitausend Mitarbeitern des derzeitigen Schlechtleisters.

Bereits seit Jahren wusste der Senat, dass eine Entscheidung her muss, um die Situation ab Dezember 2017 zu klären, es ist aber nichts passiert. Jetzt kann man nur auf einen Gnadenakt des Eisenbahnbundesamtes hoffen, damit ab 2018 nicht das große Chaos ausbricht. Hier haben der rot-rote Senat, vor allem aber die Berliner SPD und die Person Klaus Wowereit kläglich versagt.

Ein Problem, das im Interesse aller einer dringenden Lösung bedurfte, wurde aufs Abstellgleis geschoben, um vor den Wahlen ja nichts zu riskieren. Nicht nur beim Flughafen, sondern auch bei der S-Bahn hat Berlin ein peinliches Bild abgegeben. Berlin, das Bundeshauptdorf ohne Plan, ohne Sinn und Verstand. Wir sind doof, aber sexy und das ist auch gut so.

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