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Der VDV will Direktvergaben – aber was ist das eigentlich?

19.03.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, dessen Meinung nach auch „alle Privatbahnen“ und natürlich der nordrhein-westfälische Verkehrsstaatssekretär Horst Becker (Grüne) wollen ein neues Recht auf Direktvergaben im SPNV einführen. Der Begriff Direktvergabe ist in dieser Form ausschließlich in der Nahverkehrsbranche bekannt. Wenn man sich vor Augen hält, was eine Direktvergabe eigentlich ist, wird schnell klar, wieso.

Bei einer ordnungsgemäßen Ausschreibung oder anderen, der Ausschreibung verwandten offenen Verfahren hat der wirtschaftlichste Bieter am Ende einen Rechtsanspruch. So sollen Hinterzimmer-Deals vermieden und der bestmögliche Umgang mit den Steuergeldern der Allgemeinheit gewährleistet werden.

Einen Anspruch auf eine Direktvergabe hat niemand, sie kann per definitionem nur von des Aufgabenträgers Gnaden stattfinden. Gnade hat der Kabarettist Georg Schramm einmal „die schöne Schwester der hässlichen Willkür“ genannt. Willkür wäre ein passender Begriff, wenn ein Bürgermeister für den Bau eines Rathauses mit einem Bauunternehmer seiner Wahl einen Preis aushandelt. Wieso sollte das im Eisenbahnbereich erlaubt sein?

Mit dem Abellio-Urteil hat der Bundesgerichtshof geklärt, dass es keine Extrawurst für die Eisenbahn gibt. Die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) sowie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) kommen vollumfänglich zur Anwendung. Das Erbringen von Zugleistungen im SPNV ist ein öffentlicher Auftrag und muss als solcher vergeben werden.

Das möchten einige Leute gerne ändern. Angeblich natürlich nur für Ausnahmetatbestände, das ist jedoch unzutreffend. Das geltende Recht sieht Notvergaben vor. Für zwei Jahre kann, wenn die Existenz des Betriebs gefährdet ist, direkt vergeben werden. In dieser Zeit kann eine Ausschreibung stattfinden. Diese Notvergabe kann auch um weitere zwei Jahre verlängert werden. Investitionen sind dann nicht möglich, aber der Betrieb ist gewährleistet.

Dann gibt es das Argument, dass Leistungsausweitungen oder kurze Vertragsverlängerungen ja erlaubt sein müssten. Doch auch das ist heute schon möglich. Man kann einen ausgeschriebenen Auftrag in seinem Volumen um zwanzig Prozent erweitern, ohne dass ein neues Vergabeverfahren notwendig wäre. Wenn man ein Teilnetz für 15 Jahre wettbewerblich vergibt, ist eine Verlängerung um drei Jahre jederzeit möglich, ohne dass diese anfechtbar wäre.

An dieser Stelle sei zudem daran erinnert, dass der heutige VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff (CDU) noch in seiner Eigenschaft als Ministerialbeamter im nordrhein-westfälischen Verkehrsministerium die Gesetzesänderung, die er heute noch anstrebt, durchbringen wollte, um den rechtswidrigen Vertrag zwischen DB Regio NRW und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr nachträglich zu legitimieren. Die Aussage, wonach Ausschreibungen die Regel sein sollen und man nur für Notfälle eine juristische Sondersituation schaffen will, kann daher also nicht stimmen.

Das gilt auch, wenn der Markt nicht ganzheitlich, wie das im VRR geplant war, sondern nur teilweise abgeschottet wird. Um den Bürgermeister wieder aufzugreifen: Der ist für den Bau seines Rathauses auch dann an gesetzliche Verfahrensregeln gebunden, wenn er zuvor den Bau der Mehrzweckhalle, der Schule und der Umgehungsstraße hat ausschreiben lassen. So sieht das auch im SPNV aus. Jede Leistung hat ausgeschrieben zu werden, es reicht nicht, wenn nur ein Teil im Wettbewerb steht. Das gilt ausdrücklich auch für vermeintlich „unübliche Betriebssituationen“, wie die S-Bahnen Hamburg und Berlin.

Selbst wenn man wirklich Direktvergaben erlauben wollte, dann müsste man nicht nur das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) ändern, sondern dann müsste man an das GWB und die VOL/A heran. Hier müsste die Eisenbahn als Ausnahmetatbestand definiert werden. Sonst gäbe es nach wie vor die Situation, dass sich mehrere Gesetze widersprechen, es bestünde weiterhin Richterrecht. Ob Änderungen dort mehrheitsfähig sind, ist fraglich. Die Meinung, dass die von Wolff damals geplante Änderung des AEG das Abellio-Urteil nicht verhindert hätte, ist unter Fachleuten weit verbreitet.

Darüber hinaus müssen sich die Befürworter einer solchen Gesetzesänderung mit falschem Applaus auseinandersetzen. Ein Vertreter des linksextremistischen sogenanten „S-Bahntisch“ aus Berlin berief sich jüngst bei seiner Forderung nach einer neuerlichen Direktvergabe an die Deutsche Bahn auf den VDV. Der Volksmund sagt: Wie man sich bettet, so liegt man. Der VDV wandert hier auf einem schmalen Grad. Auch ein Verband, dessen tiefe Verwurzelung in Rechtsstaat und Demokratie völlig unstreitig ist muss aufpassen, nicht von Gruppierungen wie „Deutsche Demokratische Arbeiterföderation“ oder „Kommunistische Alternative“ instrumentalisiert zu werden.

Doch es geht nicht um linksextremistische Radikalkritik an der Bahnreform oder um Leute, die Privatwirtschaft per se ablehnen. Hier reden wir über die Vergabe von Eisenbahnleistungen und aus ordnungs- und wirtschaftspolitischen Gründen sind Sonderregelungen abzulehnen. Dem SPNV steht nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung. Das muss reichen, einen Nachschlag gibt es nicht. Das wichtigste ist die Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger, dem muss sich alles andere unterordnen. Und dazu braucht es die Kombination aus maximaler Leistung und maximaler Wirtschaftlichkeit. Diese ist nur durch eine ergebnisoffene Marktevaluierung zu erreichen.

Bild: Stefan Hennigfeld

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