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Rot-Grüner Koalitionsvertrag veröffentlicht

08.07.10 (Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Ob die Koalition länger als der InterCity auf der Mitte-Deutschland-Strecke hält ist fraglichDie rot-grüne Minderheitsregierung, die in Nordrhein-Westfalen in der nächsten Woche die Regierungsgeschäfte übernehmen möchte, hat ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht. Das nehmen wir zum Anlass, uns einmal etwas näher mit der dort geplanten Verkehrspolitik zu befassen.

Doch vorweg sei gesagt: Wer glaubte, unter einer (rot-)rot-grünen Landesregierung würde Nordrhein-Westfalen zu einem Garten Eden für Bahnfahrer, der hat die bereits von 1995 bis 2005 amtierende Regierung der Ministerpräsidenten Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück wohl ein wenig zu stark verklärt.

So ist der von Kritikern als „größenwahnsinnig“ geschmähte Rhein-Ruhr-Express nichts weiter als eine „abgespeckte Version“ des Metrorapid. So sollte der Transrapid heißen, den die letzte rot-grüne Regierung zur Fußballweltmeisterschaft 2006 von Dortmund nach Düsseldorf fahren lassen wollte. Ein Prestige-Projekt, gegen das der RRX nahezu bescheiden wirkt.

Die Direktvergabepolitik im VRR ist wirtschaftlich nicht zu vertretenAber eine kritische Reflexion der Jahre 1995 bis 2005 bleibt aus. So heißt es statt dessen selbstbeweihräuchernd: „Das Land ist unter rot-grüner Regierungsverantwortung im bundesweiten Vergleich zum Bahnland Nummer 1 geworden. “ Naja! Sehen wir uns doch lieber an, welche Vorhaben vorhanden sind:

Mit oberster Priorität werden wir eine umfassende Mängelanalyse für das Schienennetz des Landes erarbeiten. Neben den großen Projekten Rhein-Ruhr-Express (RRX), Betuwe-Linie sowie einer noch zu findenden Strecke für den Eisernen Rhein wollen wir generell die Leistungsfähigkeit des Schienennetzes deutlich steigern und den Nah- und Fernverkehr sowie den Güterverkehr mit gezielten Investitionen wirksam stärken.

Also keine grundsätzliche Abkehr vom Konzept des Rhein-Ruhr-Express, sondern allenfalls eine Fortschreibung. Dabei muss bei einer (seriös durchgeführten) Analyse rauskommen, dass die Planung des RRX alles andere als nachhaltig ist. So ist es z.B. Teil dieser Planung, die RRX-Züge sowohl in Köln-Mülheim als auch teilweise in Wattenscheid durchfahren zu lassen.

In Wattenscheid leben rund 75.000 Menschen. Ob es wirklich sinnvoll ist, diesen Halt nur noch gelegentlich anzubieten, um wenige Minuten Fahrzeit zu sparen, ist fraglich. Viel schlimmer ist aber das Konzept für Köln-Mülheim: Hier ist es nämlich insbesondere der Anschluss an die Kölner Stadtbahn, die diesen Bahnhof interessant macht. Fahrten über den Hauptbahnhof verlängern die Reise in viele Teile Kölns und Umgebung unangemessen lang. Das macht die Eisenbahn nicht attraktiver, sondern schadet ihr.

Kommen zwei weitere Gleise für die Hohenzollernbrücke?Weiterhin ist geplant, die Linien RE 16 und RB 40 über Wattenscheid-Hoentrop statt Wattenscheid zu schicken. Das würde (ganz nebenbei) eine Auflassung des Haltepunktes Essen-Kray Süd bedeuten. Dennoch ist eine solche Planung keinesfalls seriös. Zunächst einmal müssen die Abellio-Züge dann im Vorfeld des Bochumer Hauptbahnhofes höhengleich aus der Fern- in die S-Bahn ein- und ausgefädelt werden, und spätestens ab Essen-Steele wird das ganze zur Blutgrätsche: Wo sich heute schon S1, S3 und S9 die knappen Gleise teilen, kommen dann noch zwei weitere Zugpaare dazu.

Insbesondere der RE16, der ein InterRegio-äquivalenter Zug aus Siegen ins Ruhrgebiet ist, dessen Wendezeit nur wenige Minuten beträgt, würde hier fahrplantechnisch auf ein so unsicheres Fundament gestellt werden, dass entweder dauernde Verspätungen oder vorzeitige Linienbrechungen in Bochum an der Tagesordnung stünden.

Überhaupt zeichnet sich das Konzept RRX dadurch aus, dass man sich lediglich auf die Hauptachsen konzentriert, nicht aber danach fragt, wie die Menschen denn zu ihren Zügen kommen sollen. Dennoch gibt es drei sinnvolle Großprojekte, die man angehen will. Ob sie kommen, ist aber fraglich.

  • Knoten Köln: Erweiterung der Hohenzollernbrücke, Ausfahrt und Entflechtung der Strecke von Deutz bis Porz Steinstraße, Schaffung weiterer S-Bahnsteige im Hbf und in Deutz.
  • Knoten Dortmund: Forcierung des Ausbaus unter Klärung der Abhängigkeit vom zweigleisigen Ausbau Münster – Lünen
  • Knoten Hamm: Bahnhofsvorfeld

Die Erweiterung der Hohenzollernbrücke ist dringend notwendig, die Gleise sieben und acht fehlen. Allerdings sind es nicht zwei weitere, der S-Bahn vorbehaltenen Gleise, sondern die Fernbahn, die überlastet ist. Wenn man einen weiteren Bahnsteig baut, dann nicht für die S-Bahn! Denn der S-Bahnknoten Köln ist relativ harmlos.

Die Infrastruktur gehört nicht in die Hand eines VerkehrskonzernsDer Knoten Dortmund soll dahingehend verändert werden, dass die Fernzüge jetzt auf Höhe der Rheinischen Straße bereits ausgefädelt werden, der Verkehr soll über Dortmund-Obereving nach Hamm weiterlaufen oder aber über eine zweigleisige Strecke Lünen-Münster. Der zweigleisige Ausbau ist seit den 20er Jahren geplant, die SPD hatte zuletzt vierzig Jahre Zeit, ihn voranzutreiben. Man muss abwarten, ob er kommen wird.

Die neue Regierung möchte eine Dynamisierung der Regionalisierungsgelder von 2,5% erreichen. Das ist zunächst einmal unrealistisch. Es zeigt aber auch, dass die wesentliche Problemstellung im deutschen SPNV nicht verstanden worden ist: Höhere Regionalisierungsgelder würden letztlich nur dazu dazu führen, dass die DB höhere Monopolgewinne abschöpft. Notwendig ist eine strikte, nicht nur juristische, sondern auch wirtschaftliche Trennung von Netz und Betrieb.

Nur so kann gewährleistet werden, dass die Gewinne aus der Infrastruktur, die zuletzt etwa 800 Millionen Euro betrugen, nicht vom Mutterkonzern abgeschöpft werden. Der „integrierte Konzern“ war ein Fehler und muss rückgängig gemacht werden. Mit der Deutschen Bahn AG in ihrer jetzigen Form ist ein wirtschaftlicher Nahverkehr nicht möglich.

Und wo es gerade um Wirtschaftlichkeit geht: Die Direktvergabepolitik des VRR hat mit Wirtschaftlichkeit nur sehr bedingt etwas zu tun. Hier müssen einmalig zusätzliche Gelder bereitgestellt werden, um die Schuld des VRR bei der DB zu tilgen, und dann muss man auf politischer Ebene verhindern, dass sich solche Probleme wiederholen. Und das geht nur über ein gesetzliches Verbot von Direktvergaben. Davon steht im Koalitionsvertrag nichts, obwohl sich so etwas ohne weiteres per Landesrecht regeln ließe.

Bilder: Deutsche Bahn AG

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