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Bundeskartellamt mahnt DB AG ab

25.04.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Bundeskartellamt ist zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass bestimmte Verhaltensweisen und Vertragsklauseln der DB AG gegenüber Mobilitätsplattformen einen Missbrauch von Marktmacht darstellen. Mobilitätsplattformen bieten hauptsächlich Online-Lösungen für eine integrierte Routenplanung an, für die die Schiene eine wichtige Rolle spielt. So vermitteln sie etwa die Kombination von Bahntickets mit Flügen, Carsharing, Fernbus oder Mietfahrrädern.

Für Dienste dieser Art stellt die DB keine Prognosedaten des SPFV, wie zum Beispiel Daten über Verspätungen, Fahrtverlauf, Zugausfälle oder Gleiswechsel zur Verfügung, die aber essenziell für die Entwicklung solcher Dienstleistungen sind. Die im Verfahren adressierten vertraglichen Beschränkungen der DB reichen von Werbeverboten über vertikale Preisvorgaben gegenüber den Reisenden und weitreichende Rabattverbote bis hin zu einer möglichen Diskriminierung eines Teils der Mobilitätsplattformen bei der Provisionshöhe für den Ticketvertrieb.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Nach unserem vorläufigen Prüfungsergebnis ist die vom Netzbetrieb bis zum Fahrkartenvertrieb vertikal integrierte Deutsche Bahn das in Deutschland marktbeherrschende Verkehrsunternehmen auf der Schiene. Daher unterfällt die DB der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht und hat besondere Pflichten gegenüber Dritten, z.B. Mobilitätsdienstleistern.“

Mundt: „Viele dieser Mobilitätsdienstleistungen sind ohne die Einbindung der DB nicht denkbar. Daher sind wir der Auffassung, dass die Mobilitätsanbieter z.B. einen Anspruch auf die Verkehrsdaten der Bahn wie Verspätungen oder Zugausfälle haben. Die Geschäftsmodelle können sonst nicht funktionieren. Außerdem haben wir Bedenken gegen eine Reihe von Vertragsklauseln der DB, mit denen die Mobilitätsplattformen als Online-Partner der DB behindert werden können. Wir wollen nicht, dass ein einzelnes Unternehmen perspektivisch den Markt dominiert und innovative Mobilitätsanbieter ausgebremst werden.“

Das Bundeskartellamt hat Ende des Jahres 2019 ein Missbrauchsverfahren gegen die DB wegen Verstoßes gegen §§ 19, 20 GWB und Art. 102 AEUV eingeleitet. Nach jetzigem Ermittlungsstand nimmt die DB eine Doppelrolle ein. Sie ist einerseits eine marktstarke Mobilitätsplattform mit ihrem Portal bahn.de und mit ihrer App DB Navigator.

Sie kombiniert über den eigenen Fahrkartenvertrieb hinaus eigene verkehrsmittelübergreifende Angebote und übernimmt den Fahrkartenvertrieb auch für Dritte, so für über fünfzig Verkehrsverbünde. Andererseits hat sie als mit weitem Abstand führendes Schienenverkehrsunternehmen die Möglichkeit, aufgrund ihrer Schlüsselstellung die Nutzung des Schienenverkehrs in den Angeboten Dritter zu kontrollieren.

Der Wettbewerberverband Mofair nannte die Entscheidung ein wichtiges Zwischenergebnis. Verbandsgeschäftsführer Matthias Stoffregen: „Das lang erwartete Zwischenergebnis ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Digitale Mobilitätsdienstleistungen sind zwingend auf faire Wettbewerbsbedingungen angewiesen.“

Stoffregen: „Egal ob internationale Fernreisen mit dem Zug durch mehrere Staaten, von München nach Berlin oder auch nur in die Nachbarstadt: Fahrgäste profitieren von vielfältigen Buchungsmöglichkeiten und stets aktuellen Reiseinformationen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass das marktbeherrschende Unternehmen, die DB AG, diese Informationen zu fairen Bedingungen mit seinen Wettbewerbern teilt – zum Nutzen aller.“

Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die DB AG aufgrund ihrer Doppelrolle – marktbeherrschende Mobilitätsplattformen bahn.de und DB Navigator mit Vertrieb eigener Tickets als auch Tickets für Dritte sowie immer noch zentrales Schienenpersonenfernverkehrsunternehmen – eben kein Marktteilnehmer wie jeder andere ist. Die Ergebnisse dieses Verfahrens sind so vorhersehbar und negativ für die Branche wie befürchtet: Vertragspartner dürfen nicht mit dem vollen Sortiment an Fahrkarten werben und dürfen keine eigenen Kundenbindungsprogramme und Ähnliches anbieten.

Für die DB AG sind dies hingegen gängige Marketinginstrumente. Auch bestehen laut Bundeskartellamt Zweifel, ob konkurrierende Mobilitätsplattformen von der DB AG den Anteil an Provision für den Fahrkartenverkauf erhalten, der ihnen eigentlich zustünde. Mofair fordert insbesondere die Politik auf, aus der Abmahnung des Bundeskartellamts zügig und konsequent die richtigen Schlüsse zu ziehen und diese umzusetzen.

Siehe auch: Auch der Vertrieb ist vielfältig

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