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Der Aufgabenträger muss sich attraktiv machen

05.12.19 (Kommentar, Niedersachsen) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Investition in Eisenbahn-Rollmaterial ist sehr langfristig und es ist stets absehbar, dass man etwa nach der Hälfte der Lebensdauer eine umfassende Zwischeninvestition tätigen muss: Die Züge, die 15 bis 20 Jahre alt sind, erfüllen dann nicht mehr die Standards und auch Stand jetzt weiß niemand, wie moderne Eisenbahnfahrzeuge im Jahr 2040 aussehen werden. In Niedersachsen hat man bei den ersten landeseigenen Fahrzeugen, die es nach der Eisenbahnreform und der Regionalisierung gab, jetzt erstmals diesen Punkt erreicht.

Und siehe da: Diverse Worst-Case-Szenarien, die im Zusammenhang mit Anschaffungen durch die Aufgabenträger diskutiert worden sind, sind allesamt nicht eingetreten. Weder wurde eine ganze Flotte völlig überraschend durch das Eisenbahnbundesamt stillgelegt noch gab es wochenlange Chaossituationen, weil Züge zu Beweissicherungszwecken bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen nicht fahren durften.
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Im Gegenteil: In Niedersachsen hat man Erfolg mit dem Landes-Fuhrpark. Immer wieder mussten zeitweise Ausschreibungen wegen mangelnder Resonanz durch potentielle Bewerber aufgehoben werden, doch immer dann, wenn man sich als Aufgabenträger für seine Bieter attraktiv macht, dann hat man derartige Probleme nicht. Denn auch das muss man bedenken: So wie die Eisenbahnunternehmen gute Bewerber für ihre offenen Stellen suchen und sich entsprechend attraktiv machen müssen, so suchen auch die Aufgabenträger gute Bewerber für ihre offenen Aufträge.

Der Aufgabenträger ist mitnichten der nette Onkel mit der Kasse, sondern er sucht ein oder im Idealfall mehrere Unternehmen, die sich immer wieder an Ausschreibungen beteiligen und die in einem eingeschwungenen Markt über Jahrzehnte immer wieder miteinander zu tun haben. Wir reden von echten Stakeholdern, die auf unterschiedlicher Ebene zusammenarbeiten müssen und sollen.

Tatsächlich können sich die Bieter aussuchen, bei welchem Aufgabenträger sie ein Angebot abgeben und wo nicht. Natürlich spielen da viele Faktoren eine Rolle: Muss ich Züge mitbringen und falls ja, wie fair sind meine Chancen? Wenn Gebrauchtzüge zugelassen sind, gibt es die Möglichkeit, Zugriff auf die Fahrzeuge zu haben, die dort jetzt fahren oder stehen diese exklusiv dem bisherigen Betreiber zur Verfügung

Dazu kommen zahlreiche weitere Faktoren, etwa das Verhältnis zwischen Qualitätsanforderungen und Infrastruktur-Qualität. Auch das kann abschreckend sein: Bei lauter eingleisigen Eisenbahnstrecken mit einer vollmechanischen Zugsicherung sind hundert Prozent Pünktlichkeit schlichtweg nicht oder so gut wie gar nicht möglich.

Deswegen ist die Zahl der Bewerber bei den Ausschreibungen immer auch ein guter Indikator für die Qualität der Arbeit bei den Aufgabenträgern. Wer nicht im Vorfeld die Ratschläge der Eisenbahnunternehmen berücksichtigt, die vielleicht oft in ähnlicher Form von mehreren Seiten kommen, wer sein Ding durchzieht und sich als Gutsherr sieht, der wird wahrlich Betreibermangel haben.

Siehe auch: LNVG investiert in Zug-Modernisierungen

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