Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Die marktwirtschaftliche Dividende ist da

14.06.17 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die marktwirtschaftliche Dividende, die im Eisenbahnverkehr überall in Deutschland zu sehen ist, kommt in Baden-Württemberg erst mit Verspätung an. Zu schlecht waren die Verkehrsverträge, die man mit DB Regio gemacht hat: Zu teuer im Vergleich zu einer marktnahen Vergabe und im Zusammenhang mit der Frage nach Investitionen in das Rollmaterial hat man auch hier zu wenig bekommen.

Silberlinge mögen sich ja bei Eisenbahnfreunden ihrer Beliebtheit erfreuen, im modernen SPNV haben sie nichts mehr verloren. Dabei hat man alle möglichen Spekulationen über diesen inzwischen ausgelaufenen großen Verkehrsvertrag gehört, aber Tatsache ist, dass der SPNV im Ländle schlechter war als im Rest der Republik.

Umso erfreulicher ist die marktwirtschaftliche Wende, die seit einigen Jahren auf der Arbeitsebene erfolgreich eingeführt worden ist. Man schafft es, neue Akteure ins Land zu holen: Abellio ist auf dem Sprung nach Süddeutschland und mit Go-Ahead ist ein britisches Unternehmen erstmals überhaupt in den deutschen Eisenbahnmarkt eingestiegen.

Das ist nach National Express schon der zweite britische Akteur, der in den letzten Jahren hier nach Deutschland gekommen ist. Der Grund ist klar: Die haben uns nicht erstmals auf dem Globus zufällig entdeckt, sondern die Marktsituation schon Jahre im Vorfeld beobachtet. Das Abellio-Urteil vor fast sechseinhalb Jahren hat den Markt stärker verändert als damals gedacht wurde.

Die neue Gesetzeslage hat dafür gesorgt, dass eine ordnungsgemäße Ausschreibung ein einklagbares Recht für jedermann geworden ist. Bis dahin war sie stets ein Gnadenakt des Aufgabenträgers. Für den war es natürlich einfacher, das Gespräch mit „der Bundesbahn“ zu suchen und dann im Sinne einer Subventionsbewilligungsstelle Geld freizugeben.

Aber diejenigen, die früh den Weg in die Ausschreibung gegangen sind, waren erfolgreicher. Sie haben das Angebot bei gleichbleibender finanzieller Ausstattung qualitativ und quantitativ verbessert. Und in Baden-Württemberg hat sich jetzt der letzte große Aufgabenträger umorientiert. Mit aus Nordrhein-Westfalen übernommenen erfolgreichen Finanzierungsmodellen sorgt man auch zwischen Bodensee und Neckar dafür, dass die Resonanz potentieller Bieter hoch und das Ergebnis erfolgreich wird.

Eine erfolgreiche Ausschreibung zu organisieren ist die halbe Miete – aber eben auch nur die halbe. Jetzt muss man die Verkehrsunternehmen umfassend bei ihren Vorbereitungen zur Betriebsaufnahme beaufsichtigen und überwachen. Das ist kein Misstrauen gegen die neuen Betreiber, sondern stellt sicher, dass die hohe Qualität von Anfang an da ist.

In Nordrhein-Westfalen kann man sehen, wie das funktioniert: Für jedes Netz werden Lenkungskreise eingerichtet und die Verantwortlichen bei den Verkehrsunternehmen müssen regelmäßig den Aufgabenträgern Bericht erstatten. In Rheinland-Pfalz konnte man beim Vlexx sehen, wie es nicht funktioniert: Vollkommen passive Aufgabenträger haben nicht gemerkt, dass ein Betreiber völlig überfordert ist. Also auch hier gilt: Der Anfang ist gemacht, nun folgt aber der nächste Schritt!

Siehe auch: Achtes Stuttgarter ÖPNV-Forum

Kommentare sind geschlossen.