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Oligopole aufbrechen

08.06.15 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass die Deutsche Bahn gerade im Regionalverkehr immer wieder Direktvergaben fordert (auch wenn der Markt seit dem Abellio-Urteil größtenteils ausgetrocknet ist), ist das eine. Das andere ist, dass man selbst ganz ohne Frage zu vergebende Aufträge ausschreibt und gar nicht daran denkt, sich mit einem Fahrzeughersteller in irgendeinem Hinterzimmer zu treffen und einen Preis auszuhandeln. Das ist auch richtig so, denn selbstverständlich braucht es auch bei der Fahrzeugindustrie- und Infrastrukturindustrie wettbewerbliche Strukturen.

Das Schienenkartell ist das eine gewesen. Hier gab es eine kriminelle Verschwörung, nicht nur zu Lasten von DB Netz, sondern auch zu Lasten vieler kommunaler Schienenbetreiber. Dafür sind die Behörden zuständig: Bußgelder gegen Unternehmen verhängen und verantwortlichen Personen in den jeweiligen Unternehmen den Prozess machen. Doch man darf nicht den Fehler machen, eine Gesamtsituation nach ihren Exzessen zu beurteilen, sondern der ganz normale Alltag ist wichtig: Im Eisenbahnwesen in Deutschland sind zu wenige Hersteller im Markt, es hat sich ein Oligopol gebildet, das nichts mit dem Schienenkartell zu tun hat, das aber dennoch da ist.

Dass die Bahn hier ein Einkaufsbüro in China eröffnet, ist folgerichtig und logisch: So werden die einheimischen Hersteller unter Druck gesetzt und es entstehen für den Auftraggeber bessere Marktbedingungen. Damit sind übrigens die Hersteller ihrerseits auch nicht unbedingt einverstanden. Immer wieder hört man, natürlich nur unter der Hand, den Hinweis darauf, dass auch innerhalb Europas die Staatseisenbahnen „ihre“ nationalen Lieferanten unterstützen würden. Siemens wäre auch gerne Monopollieferant der Deutschen Bahn, aber diese wird zurecht den Teufel tun und sich einem Unternehmen auf Gedeih und Verderb ausliefern.

Denn gerade im Bereich Rollmaterial lassen sich relativ gut Fahrzeuge ausschreiben: Die RRX-Vergabe hat gezeigt, dass bereits bei rund siebzig Triebzügen die Hersteller bereit sind, Fahrzeuge zu entwickeln und ihre F&E-Abteilungen anzuschmeißen. Denn der Verkauf von Rollmaterial gerade für den SPNV ist lukrativ. Hohe staatliche Zuschüsse (auch wenn die konkrete Summe für die kommenden Jahre im Moment noch offen ist) sichern ein konstantes Investitionsvolumen und die Züge lassen sich über weite Strecken von der Stange planen. Mit der Serienzulassung vereinfacht sich das Verfahren noch einmal. Übrigens ist auch hier eine für die Auftraggeber günstige Situation entstanden, weil sich die die Bestellungen bei Problemen leichter stornieren lassen.

Das Problem war ja nie das reine Zusammenschrauben der Fahrzeuge, sondern immer das lange und aufwendige Zulassungsverfahren. Dazu ein Vergleich, der an dieser Stelle zwar schon öfter gekommen ist, aber nur, weil er so schön ist: Das (ehemalige) Fernsehtraumschiff MS Deutschland wurde im Dezember 1996 auf Kiel gelegt und brach im Mai 1998, 17 Monate später, zur Jungfernfahrt auf. Es kann einfach nicht zu viel verlangt sein, dass ein Zug in seiner Herstellung nicht länger braucht als ein mehrere hundert Meter langes Kreuzfahrtschiff!

Siehe auch: SCI: Aktueller Rail Index liegt vor

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