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Deutschland hat gewählt – aber was?

23.09.13 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Wahlergebnisse kamen letzte Nacht und aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir vier Fraktionen im 18. Deutschen Bundestag. Die Zeichen stehen auf eine Neuauflage der großen Koalition, die es bereits von 2005 bis 2009 gegeben hat. Mit einer großen Mehrheit und hohen demokratischen Legitimation gehen auch große Chancen einher, die drängenden Fragen unserer Zeit zu lösen. Die Infrastrukturfinanzierung ist nach wie vor eine der größten Baustellen in unserer Republik und es muss eine Lösung her, die der Schuldenbremse im Grundgesetz nicht widerspricht.

Es wird also zwangsweise auf verstärkte öffentlich-private Partnerschaftsprojekte hinauslaufen, also nimmt der Staat keine Kredite mehr auf, sondern Privatinvestoren finanzieren die Infrastruktur mit eigenen liquiden Mitteln und diese werden dann vom Staat gemietet. Doch es gibt auch andere Seiten: Man muss endlich auf einer seriösen und ideologiefreien Ebene über Verkehrsvermeidung nachdenken. Das geht etwa über Autobahn- und Straßenbenutzungsgebühren. Was sich anhört wie der Wunschtraum der ÖV-Lobbyisten hat ernsthafte Hintergründe: Natürlich wird man eine Verkehrsverlagerung auf die öffentlichen Verkehrsmittel nicht hinkriegen wenn man Autofahrern das Leben schwer macht, eine Erkenntnis, die sich seit den 80er Jahren eigentlich bis zum letzten ewiggestrigen Beamten rumgesprochen haben.

Aber wenn man das Verkehrsaufkommen durch steuernde Maßnahmen reduziert, dann liegen auf der anderen Seite auch genügend Gebühreneinnahmen bereit, um eine auskömmliche Nutzung sicherzustellen. Dabei muss man sich die Frage stellen, ob es Sinn hat, vierspurige Autobahnen weiter auszubauen, weil dort zwei Stunden am Tag Stau ist und ansonsten alles leer. Mit mehr Nutzerfinanzierung besteht die Möglichkeit, zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlich hohe Gebühren zu verlangen. Das klingt futuristischer als es ist, die meisten Verkehrsverbünde haben solche Regelungen bereits: Fast überall gibt es Tickets, die ab 8 Uhr oder 9 Uhr gelten und entsprechend billiger sind – im Gegenzug bleiben diese verbilligten Kunden in der Frühspitze aus den öffentlichen Verkehrsmitteln raus. So kann man das Verkehrsaufkommen steuernd verteilen.

Das muss man ausbauen, auch im DB-Tarif ist der Ansatz im Prinzip schon vernünftig: Ein Normalpreis, der im Grunde ausschließlich dazu dient, abzuschrecken und auf Sparpreise zu lenken sorgt dafür, dass hier eine Fahrgaststeuerung der Auslastung entsprechend erfolgt. Auch wenn es keiner hören will: Der Unterschied zu PEP ist so groß nicht mehr. So müssen Verkehrsströme gesteuert und gelenkt werden, mit einfachen marktorientierten Maßnahmen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder die individuelle Nutzung öffentlicher Verkehrsinfrastruktur ist ein knappes Gut. Aber die Knappheit ist nicht zu jeder Zeit gleich. An die Tarifparteien zu appellieren, damit diese Gleitzeit ermöglichen, reicht nicht. Da muss die Verkehrspolitik in der neuen Legislaturperiode anders aussehen und aktiver eingreifen. Es wird Zeit einzugestehen, dass eine passive Verkehrspolitik für die Zukunft nicht mehr ausreicht.

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