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Bahnhof des Jahres – ohne Stellwerksausfall

26.08.13 (Allgemein, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Was wird dieser Tage nicht wieder über die Eisenbahn geschimpft und gezetert. Vor dem Hintergrund einer vom SPFV abgehängten Landeshauptstadt und diversen anderen Bahnhöfen in Deutschland, die wegen Personalmangel in den Stellwerken nur eingeschränkt angefahren werden können, ist der Unmut der Bevölkerung nicht ganz unberechtigt. Da tut es doch gut, dass die Allianz pro Schiene mit ihren Mitgliedsverbänden ausgerechnet jetzt ihre Bahnhöfe des Jahres vorstellt und ein Zeichen setzt: Hey, die Eisenbahn ist noch nicht tot und überhaupt. Manche Bahnhöfe werden nicht nur notdürftig angefahren, sondern bieten tatsächlich auch noch eine angenehme Aufenthaltsqualität.

Wer sich an die heruntergekommenen Zweckbauten der alten Behördenbahn erinnert, lieblos und billig in den 50er Jahren in die Landschaft gesetzt, als der Beförderungsfall keine Rolle gespielt hat. Bahnhöfe sind doch soviel mehr: Sie sind Visitenkarten, sowohl der Städte, in denen sie stehen als auch der Eisenbahn als Verkehrsträger. Wenn der Bahnhof schon riecht wie eine öffentliche Toilette, es überall Vandalismusschäden gibt und die Uhr am Bahnsteig seit zwei Jahren kaputt und zugeklebt ist, dann gibt es keine bessere Werbung, und zwar für die Automobilindustrie. Gerade jetzt ist die richtige Zeit, Positivbeispiele herauszuheben. Doch gerade jetzt sollte man das Thema nicht nach drei Tagen wieder beenden. Bahnhöfe haben eine Menge Potential, nicht nur zur verkehrlichen Nutzung.

In Nordrhein-Westfalen treibt man seit einigen Jahren ein Sonderprogramm voran, in dessen Rahmen Bahnhofsimmobilien, die nicht mehr für den Eisenbahnbetrieb benötigt werden, an Investoren verkauft werden, um sie städtebaulich attraktiv zu machen. Auch wenn das von einigen Spezialexperten als Bahnprivatisierung durch die Hintertür bezeichnet wird, genau das ist es nicht. Stattdessen übergibt man im Geiste der Regionalisierung die politische Verantwortung für die Aushängeschilder einer Stadt den Kommunen und es ist an denen, geeignete Investoren mit guten Plänen auszuwählen, die ein hohes wirtschaftliches Eigeninteresse an einer angemessenen Entwicklung haben. Solche Programme gilt es fortzuentwickeln, damit der Bahnhof nicht nur für die Bahnfahrt, sondern insgesamt eine gesellschaftliche Relevanz erhält und den kulturellen Mittelpunkt einer Stadt bilden kann.

Man mag über vermeintliche Einkaufstempel mit Gleisanschluss lamentieren, Tatsache aber ist, dass man so Menschen in die Bahnhöfe kriegt, die ansonsten nicht hingehen würden. Gerade bei der Generation der vor 1980 geborenen Menschen ist die Mentalität „Wieso sollte ich mit Bus und Bahn fahren, ich habe doch ein Auto“ weit verbreitet. Wenn der Bahnhof nun mehr ist als eine bloße Zugangsstelle zur Eisenbahn, dann findet er in den Köpfen vieler Menschen wieder statt. Es ist vor diesem Hintergrund fast bedauerlich, dass man es in der ÖV-Branche nicht schafft, aus der alljährlichen Wahl zum Bahnhof des Jahres medienwirksam mehr herauszuholen. Dass die Eisenbahn nur dann im Blickpunkt steht, wenn etwas nicht läuft, müssen die PR-Leute der ÖV-Branche ankreiden lassen.

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