Die nächsten Jahrzehnte vorbereiten
11.04.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat das Finanzierungsmodell, das erstmals für den Rhein-Ruhr-Express eingeführt wurde, aber auch z.B. für das Elektronetz Mittelsachsen zur Anwendung kam, für breite Diskussionen gesorgt: Kann man es den Aufgabenträgern zumuten, die Fahrzeuge anzuschaffen? Was ist mit den Investitionsrisiken, die über die lange Lebensdauer mit den Fahrzeugen einhergehen? Wie soll man reagieren, wenn aus was auch immer für Gründen kurzfristig die Zulassung erlischt oder durch die technische Aufsichtsbehörde ein Stillstand angeordnet wurde?
Bemerkenswert ist, dass diese Diskussionen ganz zuvorderst von denen geführt worden sind, die überhaupt gar keine Probleme damit haben, wenn der Aufgabenträger Züge anschafft und diese dann einem Bundesunternehmen schenkt, das viele nicht sachkundige Politiker für gemeinnützig halten. Dabei ist es doch selbstverständlich, dass die Fahrzeuge dann dem Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, das die Züge im Anschluss auch fährt.
Das kann ein Bundesunternehmen sein, das kann die deutsche Tochtergesellschaft einer anderen europäischen Staatseisenbahn sein, es kann ein Unternehmen im Landeseigentum sein oder unter kommunaler Regie, aber auch ein völlig privater Akteur. Wichtig ist, dass man die tatsächlich eintretenden Risiken, die mit den Jahren und Jahrzehnten des Betriebs einhergehen, vernünftig unter den verschiedenen Akteuren aufteilt.
Dazu gehört auch, dass ein Verkehrsunternehmen nicht zugrunde gehen darf, nur weil ein Hersteller es nicht schafft, die Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt hat man es gerade hier mit einer in der Praxis nicht üblichen Technologie zu tun: Dass Züge auf elektrifizierten Abschnitten aus der Oberleitung nachladen können, ist zwar eine gute Idee, aber was ist denn, wenn so ein Akku nach wenigen Jahren für einen siebenstelligen Betrag ersetzt werden muss? Kann man das wirklich allein ins Risiko des Herstellers legen und was ist, wenn diesem finanziell auch die Puste ausgeht?
Wobei das ja auch ein generelles Thema ist: Wenn man solche batterieelektrischen Fahrzeuge auf den Netzen fahren lässt, zementiert man damit nicht den Zustand der fehlenden Oberleitung auf Jahrzehnte, weil es ja gar nicht mehr nötig ist, eine solche zu ziehen? Sollte nicht viel eher die Oberleitung die Regel sein? Also das, was sich verschiedene Koalitionen seit etlichen Legislaturperioden immer wieder in ihre Koalitionsverträge geschrieben haben, aber nie entsprechenden Einfluss auf das Bundesunternehmen DB Energie ausgeübt haben.
Zumindest werden die beiden Aufgabenträger erst wieder in den 2050er Jahren über die Frage nachdenken, ob man die entsprechenden Strecken elektrifizieren kann. Natürlich kann man jetzt auch drüber reden, ob eine Oberleitung nicht zum Beispiel auch für (geringfügigen) Güterverkehr auf solchen Strecken sinnvoll wäre, etwa um Gleisanschlüsse leichter bedienen zu können. Das ist aber kein SPNV-Thema mehr. Also auch hier gibt es Vor-, aber auch Nachteile, die wir in den nächsten Jahrzehnten sehen werden.
Siehe auch: NWL und VRR beschaffen 63 CAF-Triebzüge
Foto: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR