Nicht immer ist der Staat zuständig
09.12.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Eisenbahnregulierung hin oder her, wenn man sich einmal die Worst-Case-Szenarien anguckt, die wir aus der politischen Debatte um den 2008 abgesagten Börsengang des integrierten DB-Konzerns noch kennen, stellen wir relativ schnell fest, dass viele von denen auch ohne Börsengang in Erfüllung gegangen sind, auch wenn manche durch regulative Gesetzgebung abgemildert werden konnten. Mit dem Start der Ampelkoalition ist die Debatte um eine Trennung von Netz und Betrieb wieder da, auch wenn man wohl nicht davon ausgehen kann, dass der Konzern ernsthaft in seiner Struktur bedroht ist.
Doch was macht man dann? Einen Konzern, dessen Sparten grundsätzlich gegensätzliche Interessen haben, hält man aus ideologischen Gründen zusammen. Gleichzeitig ist dieser „integrierte Konzern“ aber dennoch noch nichts weiter als eine Holding, ein gemeinsames Dach und ein Markenauftritt. DB Netz hat ein fundamental anderes Geschäftsmodell als beispielsweise DB Regio. DB Regio hat im Grundsatz viel mehr gemeinsame Interessen mit diversen Wettbewerbsbahnen als mit DB Netz.
Auch DB Regio leidet an den massiv gestiegenen Bauaktivitäten oder an Trassenkonflikten zwischen pünktlichen Regional- und verspäteten Fernverkehrszügen. Ob es für DB Regio ein Wettbewerbsnachteil ist, dass man gezwungen ist, den Bahnstrom über DB Energie zu beziehen, sei dahingestellt. Tatsache ist aber, dass der Einstieg anderer Energieversorger in den Bahnstrommarkt nur zögerlich erfolgt ist, die Behauptung, dies sei aus technischen Gründen völlig unmöglich, ist jedoch seit Jahren widerlegt.
Umgekehrt ist DB Energie schon lange im Privatkundengeschäft tätig. Ob es aber wirklich eines bundeseigenen Unternehmens bedarf, das im Stromsektor tätig ist, sei dahingestellt: Zahlreiche Stadtwerke, also direkte Konkurrenten von DB Energie, merken doch gerade, dass die Aktientauschgeschäfte mit E-ON, RWE und anderen zu unkalkulierbaren Haushaltsrisiken führen, nicht aber zur Versorgungssicherheit beitragen.
Es gibt also keinen Grund, dass die öffentliche Hand sich mehr als nötig an Unternehmen beteiligt, die auf dem freien Markt den dortigen Schwankungen ausgesetzt sind. Überhaupt: Was ist Staatsaufgabe und was nicht? In Baden-Württemberg erleben wir gerade eine massive Reverstaatlichung des SPNV. Aber auch auch der hat man erkannt, dass das nicht über die Bundes-Bahn AG laufen kann, sondern über ein landeseigenes Unternehmen. Den Fernverkehr einfach dem Gutdünken der DB AG zu überlassen ist indes das Gegenteil von staatlicher Daseinsvorsorge.
Hier kann man natürlich eine bundeseigene Aktiengesellschaft, die DB Fernverkehr AG, für den Betrieb des SPFV vorhalten. Diese muss aber nicht mit der Netzgesellschaft verflochten sein und wir sehen ja, dass jede Regulierung doch nur dazu führt, dass neue Wege zu fragwürdigen Modellen der Innenfinanzierung des Konzerns genutzt werden. Hier wären die Ampelparteien gut beraten, eine große Eisenbahnreform 2 auf die Beine zu stellen, ganz im Sinne einer starken Schiene.
Siehe auch: Kritik an der Innenfinanzierung im DB-Konzern
Foto: Deutsche Bahn AG / Christian Bedeschinski