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Es bleibt ein solides Rest-Abellio

22.11.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Hier wird ein Unternehmen abgewickelt, das es gefühlt schon seit Ewigkeiten gibt: Im Dezember 2005, also vor 16 Jahren, gingen die ersten Betriebsleistungen zwischen Hagen und Essen sowie Bochum und Gelsenkirchen an den Start. Vom Abellio-classic, dem legendären Zug mit Silberlingen und Siemens-Dispolok bis zu einem bundesweiten Akteur unter der Regie der niederländischen Staatseisenbahn war alles dabei. Nun ist Schluss mit Abellio in Nordrhein-Westfalen, Ende Januar wird der letzte Gouda gegessen. Und dann?

Jetzt entstehen Mehrkosten in Höhe von 380 Millionen Euro – das ist eine ordentliche Hausnummer und hätte vor einigen Jahren zu einer Implosion der Finanzplanung im SPNV zwischen Rhein und Weser geführt. Nun hat man bundesweit hohe Summen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder, aus diesen kommen nun die Gelder für den Mehraufwand.

Abellio ist nicht der einzige Betreiber, der jetzt in den roten Zahlen steckt und manch anderer Marktakteur wird vielleicht jetzt auf Aufträge hoffen, die so auskömmlich sind, dass man die defizitären Teilnetze, die man derzeit hat, mit den Gewinnen aus den Abellio-Altnetzen kompensieren kann. Umgekehrt heißt es aber auch, dass ein langjähriger Marktakteur nun weg ist – und nicht einfach wiederkommt.

Zumal Abellio nicht irgendwer war, sondern über Jahre hinweg der Qualitätsführer. Auch an den Reaktionen in den sozialen Medien sieht man, dass diejenigen, die über Jahre hinweg mit Abellio auf Tour waren, allesamt zufriedene Fahrgäste sind, die den Abschied eines liebgewonnenen Dienstleisters bedauern. Was bleibt? Ein Unternehmen, das die Netze EMIL und STS betreibt, also durchaus ein Rumpfunternehmen, das für sich gesehen ein solider Mittelständler ist.

Die Westfalenbahn und Abellio Rail Mitteldeutschland haben dann (zusammengerechnet) insgesamt rund 15,2 Millionen Zugkilometer im Jahr. Das Netz hat eine Größe von etwa 1.125 Kilometern und es kommen fünfzig Elektro-Triebzüge zum Einsatz. Zum Vergleich: Das Ruhr-Sieg-Netz, das Ur-Netz von Abellio, hat ungefähr 3,4 Millionen Zugkilometer im Jahr. Darauf kann man durchaus aufbauen, zumal beide Verkehrsverträge bis Dezember 2030 laufen, es also sehr langfristige Planungssicherheit gibt und die Netze auch schwarze Zahlen schreiben. Manchmal ist weniger eben mehr.

In Nordrhein-Westfalen allerdings heißt das, dass in diesem Jahr sowohl die niederländische als auch die französische Staatseisenbahn aus dem Markt ausgestiegen sind. Die Eurobahn steht ja auch vor dem Verkauf an Kapitalinvestoren, weil der Keolis-Konzern den deutschen Markt verlässt. Diese Entwicklung ist nicht gut und wird die Abhängigkeit von einzelnen Akteuren weiter befeuern.

Die Möglichkeit wie Baden-Württemberg sie hat, ein landeseigenes Unternehmen einzuschalten, existiert in Nordrhein-Westfalen so nicht. Zudem droht durchaus mehr als ein lustiges Ruckeln, wenn es Ende Januar einen Betreiberwechsel gibt. Auf jeden Fall wird dieser Winter alles andere als langweilig – soviel kann man jetzt schon sagen.

Siehe auch: Abellio in NRW vor dem Aus

Foto: Abellio

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