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War der Streik wirklich nötig?

20.09.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Hätte man das, was jetzt vereinbart worden ist, nicht schon letztes Jahr hinkriegen können? Matthias Platzeck ist ein erfahrender Schlichter, der ja bereits 2015 erfolgreich zwischen den Parteien vermittelt hat. Sein größter Erfolg war dabei wohl, dass man sich seinerzeit geeinigt hat, erst in ein Schlichtungsverfahren einzutreten, bevor man zu Streiks aufruft. Somit hat es zwischen Frühjahr 2015 und Herbst 2021 für einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren keinen einzigen Streikaufruf der GDL bei der DB AG gegeben.

Das sollte man auch nicht vergessen, gerade wenn man an die jährlichen Warnstreikrituale von Verdi im Stadtverkehr denkt. Dort sind 48 Stunden Warnstreik keine Seltenheit und ein Warnstreik von dieser Länge ist deutlich näher an der Grenze zur Unverhältnismäßigkeit als ein Streik nach einer Urabstimmung und nach einem gescheiterten Schlichtungsverfahren von fünf Tagen Dauer.

Zumal es einen Unterschied gibt, ob die DB AG einen Notfahrplan aufstellt und alles tut, um wenigstens ein Grundangebot zu haben oder ob man – wie bei den Kommunalmonopolisten üblich – nicht nur den eigenen Betrieb einstellt, sondern an solchen Tagen auch die Leistungen von Subunternehmen in der Friedenspflicht abbestellt, weil ein Nichtangebot am einfachsten zu merken ist. Hier ist die Eisenbahn definitiv weiter und das hat ganz wesentlich mit der marktwirtschaftlichen Entwicklung zu tun, die im Stadtverkehr ausgeblieben ist.

Es bleibt aber dennoch offen, wieso eine Einigung, wie man sie jetzt hat, nicht schon im letzten November zustande gekommen. Die Antwort hat ganz maßgeblich mit der Konkurrenzgewerkschaft zu tun. Diese mag der DB AG politisch näherstehen, wird nun aber dennoch die Hand aufhalten und genau das fordern, was die Konkurrenz erkämpft hat. Verwunderlich ist indes, warum man bei dem sogenannten „Bündnis für unsere Bahn“ soviel Wert auf Arbeitsplatzsicherung gelegt hat.

Glaubt ernsthaft jemand, in einer personalintensiven Branche wie der Eisenbahn würden betriebsbedingte Entlassungen drohen? Wir alle wissen doch, wie hoch der Personalbedarf sowohl branchenweit als auch konkret bei der DB AG ist. Es gibt daher keinerlei Grund, auf Lohnerhöhungen zu verzichten, um im Gegenteil eine Jobgarantie zu kriegen, da man ohnehin kein Potential zum Stellenabbau hat. Oder etwa doch?

Schützt die EVG womöglich einen DB-Wasserkopf, der maßgeblich sich selbst verwaltet und gerade nicht notwendig ist, sondern jederzeit wegrationalisiert werden kann? Sollte die DB AG mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Start der Eisenbahnreform wirklich noch immer ineffiziente Verwaltungsstrukturen haben? Wir wissen es nicht und können nur spekulieren.

Die GDL sagt aber verständlicherweise, dass man die Eisenbahner im direkten Betrieb, in den Werkstätten, auf den Zügen, an den Bahnsteigen und in den Stellwerken nicht vergleichen kann mit jemandem, der seit anderthalb Jahren in der Heimarbeit sitzt. Einen fairen Lohn ist das mindeste, was man den Menschen zugestehen muss, die Tag für Tag unsere Mobilität sichern.

Siehe auch: Tarifeinigung zwischen GDL und DB AG

Foto: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang

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