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Erste SPNV-Ausschreibung in Frankreich

04.03.20 (Europa) Autor:Stefan Hennigfeld

Wettbewerb ist im französischen SPNV erst seit Dezember letzten Jahres gesetzlich zulässig. Nicht ganz unerwartet ist es die Region Provence-Alpes-Côte d’Azur, die die ersten Ausschreibungen veröffentlicht hat, beraten von KCW und Trans-Missions. Die Rahmenbedingungen sind heute klarer als bei der Marktöffnung in Deutschland vor über zwanzig Jahren und der Markt wird sich schnell entwickeln.

Die Region Provence-Alpes-Côte d’Azur hat jetzt zwei Lose ausgeschrieben: das Los „Azur“, das S-Bahn-ähnliche Verkehre rund um Nizza mit etwa 4,3 Millionen Zugkilometern pro Jahr umfasst und das Los „Intermétropoles“, die schnelle Städteverbindung Marseille-Nizza mit etwa 2,9 Millionen Zugkilometern. Die Region hat in der Vergangenheit unter besonders großen Qualitätsproblemen gelitten, insbesondere unter Zugausfällen und Verspätungen, und das bei hohen Kosten.

Seit einigen Jahren betreibt die Region jedoch systematisch die Verbesserung ihres SPNV. Der erste Aufsehen erregende Schritt war, nach unüberbrückbaren Differenzen mit der SNCF über Kosten und Qualität den SPNV 2017 und 2018 per (einseitiger) Auferlegung erbringen zu lassen – mit positiven Auswirkungen auf Qualität und Kosten. Inzwischen konnte wieder ein vertraglicher Zustand erreicht werden.

Nun geht Provence-Alpes-Côte d’Azur weiter voran und startet als erste Region zwei SPNV-Vergabeverfahren, beraten durch KCW und die Pariser Tochterfirma Trans-Missions. Projektleiter Andreas Wettig: „Einiges von dem, was im deutschen SPNV-Markt gut funktioniert, ist auch in Frankreich anwendbar. Wir kennen beide Märkte gut und denken, dass die französischen Aufgabenträger von diesen Erfahrungen profitieren können.“

Die Vergaben tragen den Bedürfnissen der Bahnunternehmen Rechnung: beiden Losen wird ein Grundstück für eine eigene Werkstatt zur Verfügung gestellt. Dem Los „Azur“ wird die Region Fahrzeuge zur Verfügung stellen, die Fahrzeuge des Loses „Intermétropoles“ sind vom Betreiber zu beschaffen. Dabei sind die Fristen so gewählt, dass auch aufseiten der Bahnindustrie Wettbewerb entstehen kann.

Die deutschen Erfahrungen legten es auch nahe, dass der Aufgabenträger den Fahrplan bestimmt und diesen so plant, dass eine hohe Produktivität erreichbar ist. Das Ziel ist, mit dem vorhandenen Budget deutlich mehr Angebot als heute bestellen zu können. Der Gesetzgeber hat den Personalübergang und die vom Altbetreiber zur Verfügung zu stellenden Unterlagen per Dekret geregelt. Die Region hat außerdem zur Klärung strittiger Punkte die Regulierungsbehörde ART angerufen.

Gegenüber dem Beginn der Ausschreibungen in Deutschland sind die Rahmenbedingungen wesentlich klarer, insbesondere was den Zugang zu Information angeht. Auch hat die ART mehr Kompetenzen als die BNetzA, was für den Markt ein Garant ist, dass Regeln auch eingehalten werden. Hier können sich auch deutsche Unternehmen bewerben, wie etwa Arriva. Die DB AG hat die Möglichkeit zu einem Markteintritt in Frankreich.

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