DB: Neue Geschäftsmodelle im Fernverkehr?
08.12.14 (Fernverkehr) Autor:Max Yang
Eine Meldung des HR beendete am vergangenen Donnerstag die vorweihnachtliche Ruhe und Besinnlichkeit im politischen Deutschland. Wie sich aus einem internen Schreiben von DB Fernverkehr an den Aufsichtsrat des Konzerns ergebe, seien Überlegungen aktuell, die bekannte BahnCard abzuschaffen, von der in ihren bisherigen Formen derzeit mehr als 5 Millionen Stück im Umlauf sind. Stattdessen werde ein Kundenkonto eingeführt. Der HR zitierte wie folgt aus dem Dokument: „Von der BahnCard zum Kundenkonto – Loyalitätsrabatte statt erkaufte Rabattleistungen“; „Ansatzpunkte reichen von einer Anpassung des Status Quo bis zu grundsätzlichen Veränderungen der Rabattfunktion“. Unter anderem vorgeschlagen: „Dynamischer Rabatt nach Auslastung“ und „Individuelle Rabatte nach Kundenumsatz (Kundenkonto)“.
Zwischen 2015 und 2019 seien laut dem Dokument darüber hinaus „rund 1,5 Mrd. Euro Aufwandssenkung angestrebt“, wobei für etwa 1 Mrd. Euro Sparpotential bereits konkrete Ansatzpunkte vorhanden seien. In Windeseile verbreitete sich die Nachricht, auch andere Medien griffen sie auf und verwiesen auf Pläne zu einer weiteren Angebotsreduktion im Fernverkehr. Die DB AG widersprach in einer eilig herausgegebenen Pressemitteilung mit deutlichen Worten („dreiste Falschmeldung“) der Interpretation, nach der die BahnCards abgeschafft werden sollten. In einem Pressegespräch erklärte Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr DB, dass aus einem Informationspapier über Geschäftsmodellüberlegungen im Fernverkehr grob falsche Interpretationen gezogen wurden. Die Abschaffung der BahnCard sei nicht vorgesehen. „Dass wir uns in einem Wettbewerbsmarkt Gedanken machen, ob Kunden sich durch bisherige BahnCard-Modelle nicht angesprochen fühlen und andere Incentivemodelle eventuell reagieren würde, ist absolut legitim“, so Homburg weiter.
Dabei handele es sich um „eine sinnvolle Ergänzung der heutigen BahnCard-Systematik und BahnCard-Welt“. In der Tat hat die DB spätestens seit dem Aufkommen der Fernlinienbusse verschiedene BahnCard-Varianten getestet, zu denen etwa die Gold-BahnCard 25 mit Freifahrtfunktion, die Weltmeister-BahnCard 25 mit quasi integrierter Sportwettenfunktion oder (für ausgewählte Kunden, die per Direktmailing angeschrieben wurden) BahnCards, die monatlich kündbar sind, gehören. Die behaupteten drastischen Einschränkungen im Verkehrsangebot des Fernverkehrs seien laut Homburg auch in dieser Form nicht richtig. Die Einstellung von Autozug- und Nachtzugverkehren sei keine Neuheit, sondern werde bereits seit mehreren Monaten von dem Unternehmen immer wieder angekündigt und diskutiert. In den nächsten Jahren werde mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecke VDE 8, welche einen Teil der Magistrale Berlin-München abdeckt, die Infrastruktur für den deutschen SPFV erheblich erweitert.
Die damit einhergehende deutliche Reiseverkürzung für viele Relationen erfordere es, sich Gedanken über das Gesamtangebot im Fernverkehr zu machen. Dies sei „nicht nur legitim, sondern wird auch von unseren Kunden erwartet“, so Homburg. In der Tat sind die genannten Aspekte keine Neuigkeiten – man denke an die Einstellung vieler Interregio- und Intercity-Linien, die bereits unter dem Vorgänger-Bahnchef Mehdorn begonnen wurde, sowie die nun aktuelle Einstellung des Nachtzugverkehrs etwa nach Kopenhagen. Nachfrageorientierte Preisgestaltung gibt es bereits mit den Sparpreisen im DB-Fernverkehr. Ebenso gibt es eine umsatzabhängige Vergünstigung in Form des Großkundenrabatts im bahn.corporate-Programm.
Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Verschlechterungen im Angebot der Deutschen Bahn bzw. die Diskussion hierüber bereits deutlich vor dem tatsächlichen Eintreffen über inoffizielle Kanäle die Runde machen. So ist das im November eingeführte Zahlungsmittelentgelt, welches insbesondere Nutzer von ausländischen Bankkarten (oft irreführend als „Kreditkartenentgelt“ bezeichnet, wobei es eben nicht nur diese betrifft) beim Kauf von Fernverkehrsfahrkarten berechnet wird, im Februar im Forum „ICE-Treff“ diskutiert worden, noch lange bevor eine offizielle Ankündigung herauskam. Entwarnung kann für beunruhigte Bahnkunden, die um ihre BahnCard-Vergünstigung fürchten, daher allenfalls vorläufig gegeben werden. Übrigens ist ein Vorstoß zur Abschaffung der heutigen BahnCard 50 unter der Tarifreform zur Zeit Hartmut Mehdorns nach Kundenprotesten zurückgenommen worden.
Siehe auch: Niemand hat die Absicht…